Urlaubsangebote auch für Menschen mit besonderen Bedürfnissen zugänglich zu machen – diese Intention steht im Mittelpunkt einer Informationsoffensive der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ), des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) und Austrian Standards, dem früheren Normungsinstitut.
„Ganzjährig nutzbare barrierefreie Angebote ermöglichen noch mehr Gästen ein erholsames Urlaubserlebnis und sind eine wichtige Ergänzung der Tourismusmarke Österreich. Tourismusbetriebe, die gezielt auf die Bedürfnisse unterschiedlicher Gästegruppen eingehen, verschaffen sich nachhaltige Wettbewerbsvorteile“, betont Wirtschafts- und Tourismusminister Reinhold Mitterlehner anlässlich der Herausgabe des neuen Handbuchs „Barrierefreiheit im Tourismus – Aspekte der baulichen und rechtlichen Grundlagen“, das gemeinsam von der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WKÖ, dem Wirtschaftsministerium sowie Austrian Standards erarbeitet wurde.
Neue Zielgruppen durch Barrierefreiheit im Tourismus
Barrierefreiheit gewinnt aufgrund der demografischen und gesellschaftlichen Entwicklung laufend an Bedeutung. „Auch im Tourismus wird es immer wichtiger, Menschen mit Behinderung, aber auch Senioren und Seniorinnen sowie Familien mit Kleinkindern ihren Wunsch nach erholsamen Reise- und Freizeitangeboten zu ermöglichen“, stellt Wirtschaftskammer-Generalsekretärin Anna Maria Hochhauser fest.
Vor allem in der Gastronomie und Hotellerie ist das Wissen um die Berücksichtigung der baulichen Barrierefreiheit wichtig, um neue Gästegruppen anzusprechen sowie bestehende, alternde Gäste langfristig zu binden. „Barrierefreiheit ist ein Thema, das alle betrifft – je rascher wir das erkennen und darauf reagieren, umso eher kann diese Herausforderung als Chance angesehen und auch genutzt werden. Mit der neuen Broschüre haben die Betriebe die notwendige Grundlage dafür“, so Hochhauser.
Das neue Handbuch dient als grundlegende Anleitung für alle Betriebe, die im Bereich der Barrierefreiheit aktiv etwas gestalten bzw. nach Ende der Übergangsfristen des Bundesbehindertengleichstellungsgesetzes per 31. Dezember 2015 wissen wollen, welche Standards sie schon jetzt bzw. in Zukunft erfüllen müssen. „Barrierefreiheit ist ein zentrales Thema unserer Gesellschaft, denn selbstbestimmtes Leben, Wohnen und Reisen ist ein Menschenrecht. Daher ist es auch im Tourismus wichtig, dafür zu sorgen, Barrieren für ältere Menschen, Eltern mit Kinderwagen oder Menschen mit Behinderungen zu beseitigen. Bei Austrian Standards entwickelte ÖNORMEN rund um das Bauen und das Gestalten barrierefreier Lebensräume helfen dabei, dass Personen mit Einschränkungen uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können“, unterstreicht Elisabeth Stampfl-Blaha, Direktorin von Austrian Standards.
Freie Platzwahl für alle Gäste
Die Broschüre informiert umfassend über die Zumutbarkeit von Umbaukosten, über Inhalte und Geltungsbereiche der ÖNORMEN und führt konkrete Beispiele für ordnungsgemäße Baumaßnahmen an: Wege im Freien sollten mindestens 150 Zentimeter breit und gut berollbar, sowie stufenlos und mit ganz geringem Gefälle ausgestattet sein. Taktile Bodenleitlinien führen idealerweise auf den Haupteingang zu. Der Eingangsbereich muss mindestens 90 Zentimeter breit und stufenfrei sein. Die Türen müssen leicht zu öffnen sein, ein automatisierter Türantrieb ist dazu notwendig. Eintretende dürfen kein Drehkreuz oder keine Rotationstür durchschreiten müssen.
Glastüren oder -wände müssen Kontrastmerkmale aufweisen, um Aufprallunfälle zu vermeiden. Fahrkörbe in den Aufzügen haben eine Größe von 110 Zentimeter Breite und 140 Zentimeter Tiefe zu erfüllen. Für Restaurants gilt: Es ist zu gewährleisten, dass für alle Gäste, mit oder ohne Behinderung, freie Platzwahl gegeben ist. Tische sollten außerdem unterfahrbar sein. Für barrierefreie Hotelrezeptionen ist zu bedenken, dass am Empfang ein barrierefreier Sicht- und Sprechkontakt zwischen dem rollstuhlfahrenden Gast und einer Ansprechperson möglich sein soll. Die Empfehlung lautet daher, einen Bereich der Rezeption über eine Länge von mindestens 80 Zentimeter auf eine Höhe von 85 Zentimeter abzusenken.
Die ÖNORM B 1600 gibt vor, in jedem Betrieb mindestens eine Unterkunftseinheit barrierefrei für Gäste mit Bewegungseinschränkungen auszuführen und pro 50 weiteren Gästebetten eine weitere Einheit nach den Grundsätzen des barrierefreien Planens und Bauens auszustatten. Freie Bewegungsflächen sind neben einer Längsseite des Bettes, vor Kleiderschränken und im Badezimmer notwendig. Kleiderschränke, Ablagen und Garderoben sollen Bedienhöhen zwischen 40 Zentimeter und maximal 120 Zentimeter über dem Fußboden aufweisen.
Übergangsregelungen bis 31. Dezember 2015
Die Richtlinien für barrierefreie Betriebe gelten bereits seit dem Jahr 2006, es gibt aber Übergangsregelungen bis 31. Dezember 2015. Investitionen, die pro funktionaler Einheit 5.000 Euro nicht übersteigen, sind sofort durchzuführen. Verantwortlich für die Einhaltung des Diskriminierungsverbotes ist immer der Betreiber des Unternehmens, also der Pächter. Als funktionale Einheit gilt laut Gesetz „jene abgrenzbare Wirkungseinheit im Bereich eines Bauwerkes, einer Verkehrsanlage oder eines Verkehrsmittels, deren Umgestaltung für die barrierefreie Inanspruchnahme der nachgefragten Leistung erforderlich ist“ – allerdings gibt es hierzu noch keine Rechtsprechung. In einem Hotel umfasst die funktionale Einheit demnach beispielsweise die Rezeption, die Zimmer und den Frühstücksraum.
Im neuen Handbuch sind die wichtigsten Anforderungen an eine barrierefreie Angebotsgestaltung für die unterschiedlichen Gästegruppen anhand vieler weiterer praktischer Beispiele dargestellt. Die Broschüre kann kostenlos bezogen werden und steht ab sofort auf der Homepage der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WKÖ unter www.tourismuspresse.at sowie des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW) unter www.bmwfw.gv.at zum Download zur Verfügung.