„Raw and fire“ lautet das kulinarische Motto im Wiener Dogenhof. Über einer Feuerstelle in einer offenen Küche im Lokal werden die Speisen, für die Gäste gut einsehbar, zubereitet. Die Idee dazu hatte Supersense-Mitbegründer Florian Kaps, der mit seiner Liebe zum Analogen und Haptischen in der Fotografie eine wachsende Community begeistert. Die Anlaufstelle für Vinyl- und Polaroid-Fans in der Praterstraße und das dazugehörende Lokal, einst eine Café-Konditorei, bilden nunmehr eine Einheit. GASTRO-Redakteurin Anja Schmidt bat Geschäftsführer Simon Steiner und Küchenchef Lukas Stagl zum Gespräch.
Kaum einen Monat lang hatte der Dogenhof auf der Praterstraße in Wien-Leopoldstadt geöffnet, musste er auch schon wieder schließen – bedingt durch die Corona-Krise. Die wochen lange Zwangspause nutzte das Team zur Reflexion und zum Herantasten an neue Ideen. „Wir haben unser kulinarisches Angebot um einige Facetten erweitert und unsere Rezepturen nachjustiert“, fasst Simon Steiner, Geschäftsführer des Lokals, das in einem historischen Prachtbau beheimatet ist, die kreative Betriebsamkeit der letzten beiden Monate zusammen. Mit beträchtlicher Motivation hat das Team des Dogenhofes der Wiedereröffnung entgegengeblickt, obwohl – wie bei vielen anderen Gastronomiebetrieben – der Tatendrang mit einem großen Fragezeichen versehen ist. „Wir sind absolut zuversichtlich, jedoch können wir noch nicht wirklich abschätzen, wie die Gäste die Regularien annehmen werden – das bleibt die Kernfrage“, so Steiner relativierend. Im Inneren des Lokals dürfen 70 Gäste Platz nehmen, im Außenbereich erwartet ein gemütlicher Schanigarten die Klientel. „Ohne Gastgarten wäre es eine Katastrophe, und wir hoffen sehr auf einen schönen Sommer“, bringt Geschäftsführer Steiner die Sachlage auf den Punkt. Offen bleibt auch, welche Tageszeit von den Gästen für einen Besuch favorisiert wird. „Zu Mittag kommen die Mitarbeiter aus den umliegenden Büros, jedoch fehlen die Touristen noch gänzlich. Da müssen wir noch abwarten, wie sich die Situation entwickelt“, so Steiner.
Venezianischer Palast
Der Dogenhof, im ausklingenden 19. Jahrhundert nach Plänen des Architekten Carl Caufal im Stile eines venezianischen Palastes errichtet (in Anlehnung an den Vergnügungspark „Venedig in Wien“ im nahegelegenen Prater) und unter Denkmalschutz stehend, war rund 100 Jahre lang Heimat eines bekannten Kaffeehauses. Im Jahr 2014 zog die Analog-Manufaktur Supersense in den rechten Teil des Erdgeschoß-Lokals und versorgt bis heute Freunde von Polaroid-Fotografie und Vinyl-Schallplatten mit ausgesuchter Ware. Supersense-Mitbegründer Florian Kaps und Simon Steiner, ehemaliger Restaurantleiter und Mitinitiator des Heuer am Karlsplatz haben sich mit dem Dogenhof einen großen Traum erfüllt und ihn baulich und inhaltlich wieder vereint. Der Dogenhof präsentiert sich, rundum erneuert, als stilvolles, öffentliches Esszimmer, gestaltet von den Designern Yvonne Krisch und Robin Molenaar – von den dezenten Kupferhängeleuchten bis hin zu den schlichten, teils auch rustikal anmutenden Tischen und den klassisch angehauchten Stühlen nach Art des Wiener Geflechts.
Garen über offener Feuerstelle
Die Besonderheit des Hauses ist aber die Zubereitung des Essens, konkret: die spezielle Garmethode. Im Haus wird ausschließlich über einer offenen Feuerstelle gekocht, weiters steht noch ein Holzbackofen zur Verfügung. Die daraus resultierenden baulichen Herausforderungen wurden von Hafner Robert Krotz und Lüftungsspezialist Andreas Pölzl mit großer Sorgfalt umgesetzt. Beim Lokalaugenschein zeigt sich: Ein neuer Boden und frische Wandfarbe zieren das Lokal. Im Zuge der Renovierungsarbeiten wurden komplett neue Verkabelungen eingebaut, zusätzlich zur herkömmlichen Gastro-Lüftung wurde auch ein Rauchgaswäscher installiert. Auf raffinierte Weise werden die Rauchgase über der Feuerstelle und aus dem Holzbackofen in den Rauchgaswäscher geleitet, wo sie, gleichsam wie in einem Wasserfall, durchgewaschen werden. Die saubere Luft strömt dann durch den Rauchfang, die Festpartikel verbleiben im Wasser.
Analog, puristisch, einfach
Die Idee zur Feuerstelle hatte Florian Kaps, erzählt Küchenchef Lukas Stagl. Das Analoge und Haptische aus der Fotografie wollte der Supersense-Mitbegründer auch in der Gastronomie erleben. Puristisch, einfach, back to the basics sollte das Motto sein – und mit der Umsetzung dieses couragierten Vorhabens wurde Lukas Stagl, seit dem Sommer des Vorjahres mit im Team, betraut.„Wir wollen den Leuten zeigen, was dahintersteckt: Das Ursprüngliche, von der analogen Fotografie ausgehend, soll sich auch in der Gastronomie und im Essen widerspiegeln“, erläutert der Küchenchef. Das Konzept wurde bis ins Detail ausgeklügelt: „Mir geht es darum, den Urgeschmack der Speisen beizubehalten. Fleisch, Fisch und Gemüse kommen in etwa gleichen Teilen auf die Karte. Meine Intention ist es nun, den Gästen zu zeigen, wie Gemüse wirklich schmeckt“, so Stagl. Gewürzt wird vorrangig mit Salz, Pfeffer, Zitronensaft, Olivenöl und eventuell ein paar Kräutern. Sogar die Holzscheite, die für eine knisternde Glut in der Feuerstelle sorgen, wurden eigens ausgesucht und stammen von den „Naturburschen“ aus Pressbaum, die ausschließlich Holz aus dem Wienerwald verkaufen.