Ob sich Hannibal Lecter gut in einer Gefängnisküche machen würde? Die kulinarische Vorbildung dazu hätte er jedenfalls. Zum Glück sind Serienkiller mit kannibalistischem Hintergrund in Österreich eher selten. „Ganz normale“ Straftäter haben wir dafür mehr als genug. Und die müssen in der Zeit ihrer Zwangsunterbringung auch verpflegt werden – auch unter tatkräftiger Mithilfe ihrer Mitgefangenen. In der Justizanstalt Josefstadt in Wien etwa arbeitet Michael Molnar- Rössler als stellvertretender Leiter der Anstaltsküche an genau dieser Herkulesaufgabe. Neben jeweils drei Justizwachebeamten kommen in der Küche nämlich auch rund 30 freiwillige Gefangene zum Einsatz.
Immerhin zählt die Arbeit in der Küche zu den wenigen Tätigkeiten, die Gefangene hier verrichten, mit denen sie sich beschäftigen können und dafür sogar mit 2 Euro/Stunde entlohnt werden. Vorkenntnisse sind für den Job zwar erwünscht, aber nicht unbedingt notwendig. Trotzdem ist der Pool an potentiellen Mitarbeitern nicht so groß, wie man annehmen möchte: „Die einen warten auf ihren Prozess, sind im Kopf mit anderen Dingen beschäftigt und haben dazu noch private Probleme. Wir haben auch sehr viele Insassen mit Gesundheitsproblemen – die fallen auch weg. Außerdem gibt es im Gegensatz zur Strafhaft in der Untersuchungshaft keine Arbeitspflicht. Wenn also einer sagt, er will nicht arbeiten, kann ich ihn nicht dazu zwingen“, so Oberleutnant Michael Weigl, interimistischer Wirtschaftsleiter der Justizanstalt Josefstadt.
Babylonische Sprachverwirrung
Dabei ist die Arbeit mit den Gefangenen in einer Umgebung mit vielen Messern, Gabeln, heißem Öl und anderen potentiell gefährlichen Utensilien schon von Haus aus kein Kindergeburtstag und erfordert konsequente Sicherheitsvorkehrungen. Natürlich werden die Gefangenen nach Schichtende jeweils gründlich durchsucht und auch eine ständige Inventur der Küchengeräte ist Pflicht. Die Tatsache, dass überhaupt nur rund 30 Prozent der Insassen Österreicher sind, man sich daher mit vielen Gefangenen nur mit Händen und Füßen verständigen kann, macht die Sache dann auch nicht unbedingt einfacher.
„Das erfordert schon sehr viel Erfahrung und auch Fingerspitzengefühl, dass hier alles reibungslos abläuft. Zum Glück haben wir diesbezüglich so gut wie keine Probleme. Ich kann mich in den letzten zehn Jahren überhaupt an keinen gröberen Vorfall erinnern“, freut sich Michael Molnar-Rössler. Aktuell warten knapp über 1.000 Häftlinge (in Spitzenzeiten waren aber auch schon mal 1.300 Gefangene) dreimal täglich auf ihr Essen, das in Österreichs Haftanstalten – anders als man es aus US-Filmen kennt – aus Sicherheits- aber auch aus organisatorischen Gründen nicht in gemeinsamen Speisesälen, sondern individuell in der eigenen Zelle eingenommen wird.
„Speziell bei uns ist es etwa so, dass wir hauptsächlich mit Untersuchungshäftlingen zu tun haben, die auf ihren Prozess warten. Da sitzt dann im Nebenhaftraum vielleicht der Komplize und solche Kontakte gilt es zu unterbinden“, erklärt Michael Weigl. „Wenn jetzt alle gemeinsam essen würden, wäre das kaum zu managen.“
Frühe Essenszeiten
Um sieben Uhr (Frühaufsteher sind im „Häfen“ eindeutig im Vorteil) erwarten die Insassen gesüßter Tee oder Kaffee mit Portionsbutter und -marmelade. Immerhin wird das dazu gereichte Brot oder Gebäck in der hauseigenen Bäckerei hergestellt. Um 11.30 Uhr wird das Mittagessen im wahrsten Sinne des Wortes über Transportwagen serviert und das benutzte Geschirr anschließend wieder abgeholt. Das Menü besteht jeweils aus Suppe und Hauptspeise mit Beilage. Auch eine bestimmte Menge Obst steht jedem Gefangenen pro Woche zu, für diese Zuteilung ist aber wieder eine andere Stelle verantwortlich.
Das Abendessen ist dann eine „Kaltverpflegung“ wie es im Beamtendeutsch heißt, das heißt, die Gefangenen bekommen Tee oder im Sommer auch Sirup- Limonade und dazu Brot, meist mit Dosenaufstrichen wie Fleischschmalz oder Leberaufstrich. „Das kann man sich etwa wie beim Bundesheer in der Feldküche vorstellen“, präzisiert Molnar- Rössler. Frische Wurst oder Käse wären insbesondere im Sommer ein Problem, da die Hafträume über keine Kühlschränke verfügen, das „Abendessen“ aber schon gegen 15 Uhr ausgegeben und meist erst ein paar Stunden später konsumiert wird.
3,54 Euro pro Häftling am Tag
Bei der Erstellung der Speisepläne muss sich die Küchenleitung an die offiziellen Verpflegungsvorschriften halten, in denen etwa verpflichtende Kalorienvorgaben enthalten sind. Aber natürlich darf auch die Kostenseite nicht aus den Augen gelassen werden. Im Schnitt sind eben nur 3,54 Euro pro Tag für die Verpflegung eines Häftlings vorgesehen. Filetsteaks oder Langusten gehen sich da eher keine aus. „3,54 Euro klingt nicht nach viel, aber ein wenig relativiert sich das schon, da wir eben Mengen für über 1000 Personen einkaufen, da sind dann schon gewisse Rabatte im Einkauf möglich“, erklärt Molnar-Rössler. Bestellt wird dabei zentral über die Bundesbeschaffung GmbH.
Außerdem kommen manche Produkte teilweise direkt aus anderen Haftanstalten, etwa aus Stein und der Außenstelle Mauthern in der Wachau, die Obst und Gemüse selbst anbauen. Immerhin kommt man den Insassen soweit entgegen, dass es zwar nicht unbedingt ein Wahlmenü gibt, man aber bei Haftantritt angeben kann, ob man etwa religionsbedingt kein Schweinefleisch (immerhin knapp 30 Prozent der Insassen) oder vegetarisch isst und auch auf medizinisch induzierte Allergien oder Unverträglichkeiten (Lactose, Gluten, etc.) wird Rücksicht genommen. Innerhalb dieser Einteilung gibt es aber keine Wahlmöglichkeit.
Molnar-Rössler: „Das geht schon aus logistischen Gründen nicht, dass jetzt einer sagt er möchte heute Normalkost haben, morgen die vegetarische Schonkost und übermorgen die rituelle Kost. Welcher Gefangene wie verpflegt wird, wird in seiner Personalakte erfasst und das bleibt dann auch so. Nach einer Woche Normalkost sagen ‚das schmeckt mir nicht, ich hätte lieber eine andere Menüschiene, spielts leider nicht.“
Hohe „Mitarbeiter“-Fluktuation
Wie erwähnt, für Frühstück und Abendessen würde die Sternebewertung auf Tripadvisor vermutlich eher verhalten ausfallen, aber mittags kann es als Hauptspeise schon mal Topfenknödel mit Zwetschkenröster oder Wiener Schnitzel geben. Wobei Molnar-Rössler in vielen Fällen dankbar auf die modernen Convenience-Angebote der Lebensmittelindustrie zurückgreift. Denn erstens ist etwa das Zuschneiden und Panieren von Schnitzel für mehrere hundert Leute schon generell kein Honiglecken, besonders problematisch wird es aber, wenn man sich bei solchen Tätigkeiten eben nicht auf Profis verlassen kann, sondern auf die Hilfe von meist ungelernten Gefangenen angewiesen ist.
Und wer sich im Küchenalltag endlich eingelebt hat, der muss dann auch oft schon wieder gehen, da in der Josefstadt kaum Langzeitgefangene sitzen. Die meisten warten hier nur auf ihren Prozess oder sitzen kurze Haftstrafen von wenigen Monaten ab. Trotz allem versucht Michael Molnar- Rössler, der eigentlich gar kein gelernter Koch ist, sondern im Rahmen seines Jobs als Justizwachbeamter zum gastronomischen Quereinsteiger wurde, kulinarisch im Rahmen der Möglichkeiten das Beste draus zu machen: „Wenn man 23 Stunden, also mit Ausnahme des Hofganges, den ganzen Tag im Haftraum verbringt, dann ist das Essen das Highlight des Tages.
Wenn das dann zumindest passt, kann man schon ein wenig Luft aus der angespannten Situation lassen. Wir sehen ja auch selbst, welche Speisen gut ankommen und bei welchen viel zurückgeschickt wird. Gerade kürzlich haben wir ein paar Gerichte ausgetauscht, bei denen uns die Kollegen vom Wachdienst hingewiesen haben, dass diese nicht so gut ankämen. Umgekehrt wird aber in der Regel genügend gekocht, dass auch ein Nachschlag drin ist, wenn jemand großen Hunger hat und es gut schmeckt.“