Untrennbar mit dem Alpe-Adria-Gebiet verbunden ist die Kletzenbirne. Trotzdem war sie kurz davor, zu verschwinden. Der Grund dafür: Die langwierige händische Verarbeitung des Kulturguts gilt als unzeitgemäß aufwendig. Zum Glück bewahren Initiativen wie Slow Food in Kärnten die Produktion der regionalen Spezialität und schaffen ein neues Bewusstsein für diese. Schließlich lohnt sich der lange Weg von der Blüte bis zur Delikatesse. Die Blüten der Kletzenbirnen prägen im Frühling die Landschaften des Alpe-Adria-Gebiets.
Was im April und Mai am Ast hängt wird diesen Herbst eine üppige Frucht. An diesem Punkt endet der Lebenslauf der meisten Birnen, für die Kletzenbirnen startet er. Der Name ist ein Begriff für im Ganzen gedörrte Birnen, die einst Teil der regionalen bäuerlichen Selbstversorgung waren. Eine Spezialität typisch für das Gailtal in Kärnten, die Karnische Region im italienischen Friaul und das Soca-Tal in Slowenien. Und dieses geschichtsträchtige Produkt wird aus bis zu zwanzig verschiedenen Birnensorten gewonnen. Allen Sorten gemein ist ihr hoher Zuckergehalt, festes Fruchtfleisch und kleines Format. Eigenschaften, die sie für die Dörrobstverarbeitung prädestinieren.
Fotos: Martin Hoffmann
Ernten und Dörren
Bevor der Dörrvorgang Kletzenbirnen zur bekannten Spezialität macht, müssen sie zunächst geerntet werden. Schon dieser Schritt gestaltet sich bei den alten Birnensorten, darunter etwa die rote Pichlbirne oder Speckbirne, anders als bei jüngeren Züchtungen. Denn: Kletzenbirnen werden nicht einfach von ihren Bäumen gepflückt. Birne für Birne fällt von selbst vom Baum. Ein Vorgang, der sich von September bis in den Oktober zieht. Auf der organisch gedüngten Erde unter den Bäumen ausgebreitete Erntenetze erlauben es, die zu diesem Zeitpunkt braune, herrlich aromatische Beute bei der sogenannten Handernte aufzulesen.
Die aufgelesenen Kletzenbirnen werden dann nachgereift. Nach diesem Schritt sind sie weder lagerfähig noch genießbar. Den entscheidenden finalen Wandel zur langlebigen Delikatesse bringt nämlich erst der Dörr-Vorgang. Dieser Prozess hat übrigens seit Jahrtausenden Tradition. So wurde das Obst bereits zu Römerzeiten auf diese Art behandelt. Im Gailtal nutzte man hierfür früher auch den heimischen Holzofen. Die reifen Früchte werden im Ganzen in einem Dörr-Ofen bei sechzig bis siebzig Grad über einen Zeitraum von achtzehn Stunden getrocknet.
In Stücke oder Scheiben geschnittenes Obst wäre nach all der Zeit bereits steinhart. Die nun verschrumpelten Kletzenbirnen allerdings haben jetzt ihr typisch, herrlich weiches Fruchtfleisch. Kurz: Die Kletzenbirne ist endlich fertig. In dieser Form wird sie anschließend in allerlei Köstlichkeiten verarbeitet.
Feine Rezeptvielfalt
Einst galt die Kletzenbirne als Vitaminvorrat für die harten Wintermonate. Heute stehen die gedörrten Früchte für allerlei kulinarische Köstlichkeiten, die weit über das Alpe-Adria-Gebiet beliebt sind. Hierfür werden sie im Vorfeld gekocht oder einen Tag in Wasser eingelegt. Die bekanntesten Leckereien: Die süßen Gailtaler Kletzennudeln und die Friaulsche Ravioli-Variante Cjarsons. Im Soca-Tal beliebt sind mit dem Dörrobst gefüllte Bovški Krafi, eine Spezialität zu Heiligabend.
Etwas Schwips bringen die Birnen in den Speiseplan wiederum eingemaischt und destilliert als Schnaps oder Most. Einst der Haustrunk der Region. Ein universaler Liebling ist außerdem Kletzenbrot aus Roggenmehl mit Walnüssen und Gewürzen. Aber natürlich schmecken Kletzenbirnen auch pur als natürlicher Energielieferant.