Die Ergebnisse aus dem Pilotprojekt der Gemeinschaftsinitiative „United Against Waste“ zum Thema Abfallvermeidung von Lebensmitteln liegen vor: Das Einsparungspotenzial für Gemeinschaftsverpflegung, Gastronomie und Beherbergung beträgt knapp 400 Millionen Euro pro Jahr. Konkrete Abfallvermeidungsmaßnahmen können Betriebe und Umwelt entlasten. Öffentliche Hand, Forschung und NGO unterstützen das Projekt.
Die Vermeidung von Lebensmittelabfällen in der Gastronomie, Beherbergung und Gemeinschaftsverpflegung ist das Ziel der Initiative „United Against Waste“. Die Gemeinschaftsinitiative, die mittlerweile von über 30 Partnern aus Industrie, Handel, Dienstleistern, NGO und dem Öffentlichen Sektor getragen wird, hat sich zum Ziel gesetzt, die vermeidbaren Lebensmittelabfälle in diesen Bereichen bis 2020 zu halbieren. Bislang fehlten jedoch genaue Zahlen des tatsächlichen Abfallaufkommens in der Branche, die nun im Zuge eines Pilotprojektes ermittelt wurden.
Von Juli bis Oktober 2014 wurden in 29 Testbetrieben aus Großküchen, Gastronomie und Beherbergung Lebensmittelabfallanalysen durchgeführt und von der Universität für Bodenkultur (BOKU) wissenschaftlich untersucht. „Es wurde dabei nicht nur das Gesamtabfallaufkommen ermittelt, die Lebensmittelabfälle wurden detailliert nach Herkunft (wie Lager, Küche, Retouren) und Zusammensetzung (neun Produktgruppen wie Fleisch, Milchprodukte, Salat etc.) erhoben“, so Felicitas Schneider vom Abfallwirtschaftsinstitut.
Nun liegen die Ergebnisse vor: Insgesamt wurden in den 29 Testbetrieben an einem Erhebungstag 5.268 Kilogramm Lebensmittelabfall gemessen. Für einen Vergleich der einzelnen Betriebstypen wurde ein Verlustgrad berechnet, bei dem die vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Relation zu den ausgegebenen Speisen gesetzt wurden. Der Prozentanteil der vermeidbaren Lebensmittelabfälle in Relation zu den ausgegebenen Speisen bewegt sich zwischen 5 und 45 Prozent.
Auch bei den untersuchten Großküchen zeigt sich ein hohes Potenzial zur Reduktion vermeidbarer Lebensmittelabfälle. Hier wurde mitunter eine erhebliche Überproduktion, insbesondere bei Suppen oder Beilagen gemessen, die entweder erst gar nicht ausgegeben wurde oder wieder von den Tellern retour kam. Doch auch in Gastronomie und Beherbergung finden sich Hotspots. So lässt sich für die Gastronomie neben hohen Salatresten insbesondere ein „Fleischproblem“ bei den Retouren von den Tellern orten.
Milchprodukteabfälle, Obst und Gemüse sowie Getränke-Retouren sind speziell im Beherbergungsbereich ein Thema. Lebensmittelabfälle bei Salat und Stärkebeilagen sind überhaupt bei allen Betriebstypen durchgehend hoch. „Ein enormes Potenzial für die gesamte Branche, hier Maßnahmen zu ergreifen und Kosten zu sparen“, so Axel Schwarzmayr von Unilever Food Solutions.
Hochgerechnet auf die gesamte Branche in Österreich fallen somit pro Jahr geschätzt rund 200.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle in Großküchen, Beherbergung und Gastronomiebetrieben an. Berücksichtigt man zusätzlich die weitgehend unvermeidbaren Abfälle bei der Zubereitung sind es sogar bis zu 280.000 Tonnen. In Euro umgerechnet ergibt das nach Berechnungen von Helmut Obergantschnig, Gastro-Data, für die gesamte Branche ein theoretisches Einsparungspotenzial von 395 Millionen Euro allein beim Wareneinsatz. Für Betriebe kann die maximale Kosteneinsparung je nach Zusammensetzung und Menge der Lebensmittelabfälle deutlich in den sechsstelligen Bereich gehen.
„Der entsorgte jährliche Warenwert der getesteten Gastronomiebetriebe liegt zwischen 15.000 und 255.000 Euro, in der Großküche bewegt er sich zwischen 41.000 und 230.000 Euro und in den untersuchten Beherbergungsbetrieben liegt dieser zwischen 7.000 und 100.000 Euro pro Jahr. Getränke, Suppen und etwaige vermeidbare Zubereitungsreste wurden in dieser Berechnung noch nicht berücksichtigt. Ziel ist es, Gastronomen und Hoteliers zu unterstützen, den Wareneinsatz zu reduzieren“, so Josef Pirker von AGM. Der errechnete Durchschnittswert der Lebensmittelabfallverluste pro Betrieb in Österreich liegt im Vergleich bei rund 10.000 Euro an Warenwert (Berechnung Gastro-Data).
Abfallvermeidung spart Kosten und schont die Umwelt
Neben der Kosteneinsparung für die Gastronomie, Beherbergung und Gemeinschaftsverpflegung wirkt sich die Reduktion von vermeidbarem Lebensmittelabfall auch auf die Umwelt aus. Die Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 hat ermittelt, wie sich die Zusammensetzung der Lebensmittelabfälle auf die Ökobilanz niederschlägt. Bernhard Wohner von GLOBAL 2000: „Für die Lebensmittel innerhalb der erhobenen Produktgruppen wurden Ökobilanzfaktoren berechnet, die alle signifikanten Lebenszyklen und Inputs umfassen (Pestizide, Düngemittel etc.). Dies bedeutet in Zahlen einen Ressourcenverbrauch bzw. ein Ersparnispotenzial von rund 360.000 Tonnen CO2-Äquivalente bei Treibhausgasemissionen, 25 Milliarden Liter Wasser und 43.000 Hektar Land beim Flächenverbrauch.“
Mit Hilfe von Maßnahmenempfehlungen, die gemeinsam von Experten und Köchen erarbeitetet wurden, sollen diese Chancen genutzt werden und zu einem geringeren Aufkommen von Lebensmittelabfällen sowie einer besseren Ökobilanz führen. „Technische Möglichkeiten gibt es bereits viele, sie sollten auch genutzt werden“, spricht sich Ilse Merkinger-Boira von Iglo aus. „Darunter fallen Systeme wie Cook and Chill, Schockgefrieren oder Vakuumieren, die besonders für nicht ausgegebene Speisen genutzt werden können und bei der Reduktion von Abfällen helfen können.“
Online-Tool misst Abfallaufkommen und errechnet Kosten
Im Buffetbereich empfiehlt sich die Verwendung kleinerer bzw. weniger tiefer Gebinde, sowie die Vermeidung essbaren Dekors. Auch die Anpassung der Portionsgrößen birgt großes Potenzial, ebenso die Auswahlmöglichkeit der Beilage. Generell sind Schulungen des Personals und Feedbacksysteme für die Gäste und Kunden ein wesentlicher Schritt zu den gewünschten Einsparungserfolgen.
„In einem nächsten Schritt werden die ausgearbeiteten Maßnahmen in den Testbetrieben implementiert und bewertet. Die Erfahrungen, die daraus gesammelt werden, sollen andere Betriebe bei der Vermeidung von Lebensmittelabfällen zu Gute kommen und ab Frühjahr 2015 als österreichweite Roadshow in Form von Infoveranstaltungen und Workshops weitergegeben werden“, so Josef Pirker. Mithilfe eines von Unilever Food Solutions neu entwickelten Online-Tools können Betriebe auch bereits selber ihre Lebensmittelabfallaufkommen messen und erhalten mit dem Tool, das auch als mobile App verfügbar ist, eine genaue Aufschlüsselung in welchen Bereichen die Abfälle anfallen, in welcher Menge und wie hoch die finanziellen Lebensmittelverluste sind.
Josef Bitzinger, Gastronom und ranghöchster Interessenvertreter seiner Branche, zeigt sich entrüstet über den Vorwurf der Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie: „Ein Wiener Gastronom, der wirtschaftlich über die Runden kommen will, hat gar nicht die Möglichkeit, Lebensmittel im großen Stil zu ,verschwenden‘. Es gibt allerdings massive Hygienevorschriften vom Gesetzgeber, die einzuhalten sind. Auch mir blutet das Herz, wenn manche Lebensmittel aus Hygienegründen zur Vorsichtsmaßnahme entsorgt werden müssen, aber Vorschrift ist Vorschrift, und die Gesundheit des Gastes ist oberste Maxime“, so Bitzinger.
Finanziert und umgesetzt wird die Initiative „United Against Waste“ mit Unterstützung des Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, der Bundesländer Wien, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Tirol, der ARA und durch die Wirtschaftspartner der Plattform. Die Partnerplattform von „United Against Waste“ soll weiter anwachsen, interessierte Betriebe melden sich bei: United Against Waste, c/o tatwort Nachhaltige Projekte GmbH.