Frau Steharnig-Staudinger, Sie hatten bei Ihrer ersten PK erwähnt, dass Sie schon mit 15 wussten, dass Sie einmal ÖW-Chefin werden möchten. Das ist doch recht ungewöhnlich. Wie kam es zu dieser Aussage, was wussten Sie damals über die ÖW?
Ich habe die Kärntner Tourismusschule in Villach absolviert und da wurde die Österreich Werbung im Unterricht natürlich besprochen. Ich hatte für eine Fünfzehnjährige also schon ein gutes Bild davon, welche Aufgaben eine nationale Tourismusorganisation hat. Die Vermarktung des gesamten Tourismusstandorts im Ausland, die Vermittlung aller Facetten unseres Landes und die internationale Vernetzung. Das hat mich damals schon sehr fasziniert. Und das hat mich seither auch nicht losgelassen. Im Nachhinein ist das eine schöne Story, denn es wirkt irgendwie so, als hätte ich ständig auf meine aktuelle Position hingearbeitet.
Das Thema Nachhaltigkeit beherrscht die Agenda und im Tourismusplan ist verankert, dass Österreich touristisch das nachhaltigste Land werden soll? Wo stehen wir da derzeit, wo gibt es noch viel zu tun?
Im internationalen Vergleich liegt Österreich unter den Top-Nationen, wenn es um nachhaltige touristische Konzepte und nachhaltige Tourismuswirtschaft geht. So belegt Österreich den vierten Rang beim Sustainable Travel Index von Euromonitor International. Beim Travel & Tourism Development Index des World Economic Forums liegt Österreich im Jahr 2021 auf dem 11. Platz. Um die gute Position zu halten bzw. weiter zu verbessern, sind zielgerichtete Schritte vonnöten. Es ist unser Auftrag, gemeinsam mit der gesamten Branche dafür zu sorgen, dass alle Stakeholder in der Branche mitgenommen werden können. Gleichzeitig erwarten sich die Gäste ein Angebot, das ihre Nachhaltigkeitsbedürfnisse anspricht. Der Auftrag für die Destinationen und das Tourismusland Österreich wird damit klar definiert.
Ebenso ist der Begriff Ganzjahrestourismus immer öfter ein Thema. Wie sind die einzelnen Destinationen hier aufgestellt?
Ganzjahrestourismus ist klarer Weise die Zielsetzung für viele Destinationen, da die lokale Wirtschaft enorm davon profitieren kann. Denn es werden Wertschöpfung und Arbeitsplätze über das ganze Jahr gesichert und sind nicht an eine Saison gebunden, was auch zu weiteren Investitionsanreizen und Wachstum führen kann. Ganzjahrestourismus führt auch zu einer Diversifizierung des Gästepotenzials. In den klassischen Nebensaisonen erkennen wir bereits verstärktes Interesse für Rad- oder Wandertourismus, wie auch für den klassischen Erholungstourismus in Kombination mit Thermenurlaube – all das sind Urlaubsarten, die sich in der Nebensaison großer Beliebtheit erfreuen. Vor allem in den letzten Jahren haben sich das Frühjahr und der Herbst ganz stark entwickelt, darauf wollen wir auch in der Kommunikation setzen.
In unserer aktuellen GASTRO Ausgabe haben wir den Schwerpunkt „Tourismus zwischen Bergen und Seen“. Was fällt Ihnen dazu spontan ein, welches Bild entsteht, bzw. soll in den Köpfen der Urlauber entstehen?
Unsere Landschaft ist für viele Gäste einer der wichtigsten Buchungsaspekte. Darauf können wir zu Recht stolz sein. Gleichzeitig müssen wir darauf achten, dass die Vermarktung unserer Berge und Seen nicht zu kitschig oder klischeehaft ist. Das sehe ich auch als meine Aufgabe. Wir müssen ein authentisches Urlaubserlebnis vermitteln, keine Bilder aus einem Hochglanzmagazin. Aber klar ist, dass wir diese zentralen Assets unseres Urlaubslandes vermitteln müssen, denn sie sind Kraftund Inspirationsquelle zugleich, sie sind Abenteuer-Spielplatz und Sehnsuchtsort für viele Menschen. Echte und authentische Verbindungen sollen im Mittelpunkt stehen.
Österreich ist ein Kulinarikland, sind wir da schon optimal aufgestellt oder gibt es noch Verbesserungspotenzial? Und wie buchungsrelevant ist das Thema vor allem bei den ausländischen Gästen?
Kulinarik ist für viele Gäste zu einem immer wichtigeren Faktor bei der Urlaubsplanung geworden. Der Genuss von regionalen Speisen und Getränken gehört für über ein Drittel unserer Gäste zu den bevorzugten Urlaubsaktivitäten und wird zusätzlich auch als eine der Stärken Österreichs genannt. Kulinarik- Gäste sind auch aufgrund ihrer höheren Tagesausgaben eine besonders attraktive Zielgruppe. Deshalb wollen wir auch verstärkt auf dieses Asset setzen und unsere hervorragende Kulinarik hervorstreichen. Kulinarik ist als strategische Säule und USP verankert, hier haben wir ein Juwel, welches wir mit wertigen Kooperationen und Kampagnen noch stärker verankern wollen.
27 Märkte, 27 Urlaubserwartungen: Wie schwierig ist es, das Urlaubsland Österreich individuell zu promoten?
Durch unsere Marktexpertise wissen wir, was unseren Zielgruppen vor Ort in den Märkten wichtig ist, welche Aspekte Österreichs für sie interessant sind und auf welchen Kanälen wir sie ansprechen können. Das Wissen unserer Marktbüros ist in diesem Zusammenhang unbezahlbar. Durch sie wissen wir auch, welche neuen Trends sich in den Märkten gerade abzeichnen. Dieses Wissen tragen wir dann wiederum in die Branche, damit sie ihre Produkte entsprechend anpassen können. Darauf aufbauend kreieren wir für jeden Markt individuelle Bearbeitungsstrategien – klarer Weise gemeinsam mit den interessierten Partnern, um Österreich zielgerichtet und zeitgemäß präsentieren zu können. Wir analysieren jährlich unsere Märkte – wo wir investieren, wo es Potenziale gibt etc.
Die Sommersaison ist jetzt bereits zur Hälfte um, wie sieht die Bilanz aus?
Die Nächtigungszahlen für Mai und Juni sind grundsätzlich sehr positiv. Wobei es auch Regionen gibt, die mit Einbußen zu kämpfen haben. Österreich ist aber nach wie vor beliebt, die Menschen kommen gerne in unser Land. Gleichzeitig müssen wir akzeptieren, dass es heuer zu einer weiteren Normalisierung des Buchungsverhaltens in Richtung der Vor-Corona-Zeit kommt. Sun&Beach Destinationen am Meer haben wieder an Beliebtheit gewonnen. Auch das wirtschaftliche Umfeld hinterlässt Spuren und wir wissen aus unseren Umfragen, dass die Menschen im Urlaub vermehrt sparen werden.
Vielen Dank für das Gespräch!