Die Autorin von Bestsellern wie „Immer schon vegan“ und „Österreich vegetarisch“ sowie weiteren erfolgreichen Kochbüchern ist auch Zeitungs- und Magazin-Kolumnistin und Kulinarik-Expertin im TV. Im exklusiven Interview mit GASTRO spricht sie über ihr neues Kochbuch „Österreich express“.
GASTRO: Ihr neues Kochbuch „Österreich express“ setzt den Fokus auf Gerichte, die in einer halben Stunde fertig sind. Wie und warum sind Sie auf die Idee der schnellen Gerichte gekommen? Aufgrund von Anfragen, aufgrund von Erfahrungen im Freundeskreis oder, weil es bei Ihnen schnell gehen muss?
Seiser: Ehrlicherweise sind es die Fragen, die immer als erstes bei jedem Kochbuch kommen: Dauern die Rezepte lang? Sind sie kompliziert? Bekommt man die Zutaten leicht? Und weil mir die Pflege und Weitergabe des österreichischen Rezeptschatzes so wichtig ist (weil da einfach so tolle Dinge darunter sind, die wir gern beim Schielen nach Italien oder Asien oder überall dazwischen übersehen), wollte ich zeigen, dass die österreichischen Küchen nicht zwangsweise zeitaufwändig sind, sondern da ganz schön viel Flottes dabei ist. Die Idee für dieses Buch hatten mein Verleger Nikolaus Brandstätter und ich schon vor sieben Jahren.
Aber selbst wenn es um schnelle Küche geht, braucht ein gutes Buch dazu eben manchmal ein bisschen länger, bis es ausgereift, durchdacht und dann letztendlich auch gemacht ist. Und ehrlicherweise: Eigeninteresse steckt natürlich auch dahinter. Ich möchte nicht immer bei jedem Klassiker in einem Dutzend „alter“ Kochbücher von der Prato über den Ruhm bis zum Plachutta nachschauen, vergleichen und ausprobieren müssen, weil die Angaben früher viel weniger genau waren, sondern verlässlich funktionierende Rezepte zur Hand haben. Daher musste ich dieses Buch einfach selbst schreiben.
Der Begriff „omnivor“ bedeutet „Mischköstler“ oder „Allesfresser“. Bei dieser Ernährung werden weder Fleisch, Fisch und Meeresprodukte noch Obst oder Gemüse ausgeschlossen. Omnivore bedeutet im Grunde „Flexitarier“, worin liegt der Unterschied? Woher kommt der Begriff?
Sie haben völlig recht, dass die Begriffe letztendlich das Gleiche bedeuten. Für mich sind diese Zuschreibungen unwichtig. Ich ordne mich selbst nicht ein und würde sowieso nie über das Essverhalten anderer urteilen. Scheinbar besteht aber das Bedürfnis, sich als Flexitarier vom herkömmlichen Omnivor- Sein abzugrenzen, denn „Flexitarier“ soll ja nichts anders signalisieren als: Ich weiß, dass tierische Produkte im Übermaß für niemanden und nichts gut sind, drum esse ich sie bewusster und/ oder seltener. Eigentlich ein No-Brainer, aber es scheint, als würden viele Menschen (oder viel eher viele Menschen im Marketing) diese Zuschreibungen benötigen. Ich nicht. Ob ich „alles“ esse oder manche Lebensmittel aus welchen Gründen auch immer aus meiner „Diät“ ausschließe, ist Privatsache. Nicht aber, welche Lebensmittel welcher Qualität und Herkunft ich auswähle, denn das hat selbstverständlich Auswirkungen über meine Gesundheit und mein Wohlbefinden hinaus.
Warum sollte man sich jetzt für omnivor und nicht mehr für vegan, bzw. vegetarisch entscheiden?
Wenn es nach mir geht, muss sich niemand entscheiden. Ich habe rein pflanzliche/ vegane Bücher gemacht, weil ich beweisen wollte, dass richtig gut pflanzlich essen komplett ohne Ersatzprodukte geht. „Immer schon vegan“ ist in der 11. Auflage, das war also die richtige Entscheidung. Ich habe vegetarische Bücher gemacht, weil ich viel mehr Rezepte für Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte anbieten wollte, damit wir aus der ewig gleichen Leier an Fleisch + Sättigungsbeilage (was für ein fürchterliches Wort) + Alibigemüse rauskommen und die Prioritäten ändern. „Österreich vegetarisch“ wurde zum Klassiker.
Gemüse ist super, Gemüse first! Und ich habe jetzt „Österreich express“ gemacht, weil ich die Küche meiner Heimat, mit der ich (in verschiedenen Bundesländern und Regionen) aufgewachsen bin, liebe und finde, sie hat viel mehr Wertschätzung verdient. Liebevolle, freudige Zuwendung, mit Schmäh, ein bisschen nostalgisch, immer konsequent aus frischen, besten Zutaten. Das geht halt am einfachsten über Alltags- bzw. Wochentagsküche, nicht über aufwändige „Kochprojekte“ am Wochenende, für die man sich nur manchmal Zeit nimmt.
Traditionell bedeutet in Österreich seit jeher eher fleischlastig. Ändert sich das gerade oder wie sieht traditionell heute aus?
Das stimmt nur bedingt und ist je nach Region ganz unterschiedlich. Traditionell ist fleischlastige Küche ein eher urbanes, reiches Phänomen. Je ländlicher, desto besonderer war Fleisch früher (der Sonntagsbraten kommt nicht von ungefähr). Es ist ein junges (Nachkriegs-) Phänomen, dass „wir“ uns jeden Tag Fleisch leisten können und dieses Privileg offenbar mit Zähnen und Klauen verteidigen.
Ich finde, es wird Zeit, das Hirn einzuschalten und ein bisserl die Richtung zu ändern: Mehr Vielfalt bei Lebensmitteln und Saisonalität heißt ja vor allem viel mehr Gemüse, Früchte, Getreide, Salate, Kräuter, Hülsenfrüchte, Nüsse, da gibt es so unendlich viel, das auch in den Regionalküchen üblich war und manchmal noch ist, aber mit der Mainstreamisierung des Essens bzw. den im Supermarkt erhältlichen Nahrungsmitteln auf der Strecke geblieben ist. So ist es auch mit Zubereitungstechniken oft bescheidener Gerichte, die aber so viele Menschen so gern (wieder) essen würden, wenn sie sie nur bekommen würden (oder gute Rezepte dafür wüssten).
Wir leben in einem der reichsten Länder der Welt, mit supersicheren Lebensmitteln (und oft sehr guter, bei mir bevorzugt Bio- Qualität), bei uns gibt‘s außer Meeresfisch und Südfrüchten beinahe alles. Ich möchte dazu anregen, diese Vielfalt zu pflegen, zu schätzen, zu verwenden. Wer sich mit Lebensmittelvielfalt und somit geschmacklicher Vielfalt auseinanderzusetzen beginnt, kommt ganz schnell weg von dieser vermeintlichen Trennung in „Fleisch essen“ oder „sich kasteien“, und landet im Schlaraffenland.
Wenn mein Buch ein bisschen dazu dient, sich an Lieblingsgerichte aus der Kindheit oder dem Urlaub zu erinnern, sich mal wieder ein Flascherl Leinöl oder ein Packerl Bröseltopfen zu kaufen, groben Grieß oder eine Widlfang- Reinanke, dann ist der Anfang gemacht zum selbst Kochen, und sei es ganz was Einfaches, zur Entwicklung eines ausgeprägten, nicht so leicht ver(w)irrbaren Geschmacksinns, zur Wertschätzung von Tradition, ohne dabei Grenzen im Kopf zu haben.