Die Nachfrage nach Weinen mit niedrigerem Alkoholgehalt scheint ungebrochen. Der Konsument will immer leichtere Weine und gleichzeitig erleben wir durch die immer heißeren Sommer, dass die Alkoholwerte ständig steigen. Gerade bei dieser Frage spielt auch viel Psychologie mit. Denn kann der durchschnittliche Konsument in einer Blindverkostung wirklich unterscheiden, wie hoch der Alkoholgehalt tatsächlich ist? Wahrscheinlich eher nicht. Aber ein Blick auf das Etikett lässt einen zum Weißwein greifen, der vielleicht 12% hat und beim Rotwein wären 13,5 % das Maß aller Dinge.
Für den Wein ist Alkohol ein wesentlicher Bestandteil, denn er ist Geschmacksträger. In ihm lösen sich viele Aromen. So wirkt ein kräftiger Rotwein mit höherem Alkoholanteil oft intensiver und vollmundiger. Auch beim Weißwein macht der Alkohol einen Unterschied, denn er hilft die Säure zu bilden und macht ihn weich und harmonisch. Und ein höherer Alkoholgehalt ist unverzichtbar, wenn es um eine längere Reife geht, denn Alkohol ist ein natürliches Konservierungsmittel.
Dabei geht es in Wahrheit um die Balance eines Weines. Alkohol im Wein stört mich nur dann, wenn dieser nicht gut eingebunden ist bzw. dieser in der Nase und am Gaumen regelrecht hervorsticht. Weine mit höherem Alkoholgehalt werden oft bei Verkostungen besser beurteilt, weil sie am Gaumen und im Geschmack als runder wahrgenommen werden. Neulich habe ich einen australischen Shiraz mit satten 15% Alkohol verkostet. Dieser wirkte auf mich keineswegs alkoholisch. Durch seinen kräftigen Körper, die intensive Frucht und noch ausreichend Säure trug der Alkohol zur Balance des Weines bei.
Wer einen Wein nach einem Blick auf das Etikett wegen des darin enthaltenen Alkohols vorschnell beurteilt, dem entgeht so einiges.
