Von Aufbackweckerln über die günstigen Semmeln im Zehnerpack bis hin zu exquisiten Holzofenbroten mit Waldstaudenkorn, die Vielfalt an Gebäck- und Brotsorten ist so groß wie noch nie.
Österreich ist ein Land der Brotesser, und vor allem die Vorliebe für Roggenbrote ist für uns ganz typisch. Auch wenn der Roggen im Vergleich zum Weizen mit nur 15 Prozent eher eine Nebenrolle beim Brotgetreide spielt, so sind Mischbrote mit Roggenmehl sehr beliebt. Je weiter nördlich, desto mehr Roggen kommt auf den Tisch. Roggen – und vor allem Weizen – dominieren die Brotvielfalt. Bestimmte Getreidesorten wie Dinkel, aber auch alte Getreideraritäten wie Emmer, Purpurweizen oder Waldstaudenkorn, sind eher selten zu finden.
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Brotverzicht ist unnötig
Trotz vieler Diäten, die auf Kohlenhydrate verzichten, ist Brot in einer gesunden Ernährung unverzichtbar. Es sättigt gut und versorgt uns mit wertvollen Kohlenhydraten, Vitaminen und Mineralstoffen. Die meisten Menschen vertragen auch das Gluten im Mehl gut. Nur Zöliakie kranke Menschen vertragen überhaupt kein Gluten und dürfen weder Weizen, Dinkel, Roggen oder anderes glutenhaltiges Getreide essen. Gluten ist eine Proteinmischung im Korn und für die Backfähigkeit zuständig. Aber viele gesunde Menschen glauben, dass eine glutenfreie Ernährung gesünder ist und verzichten freiwillig darauf. Das ist jedoch unnötig, aber es stimmt auch, dass einige Menschen Brot schlechter vertragen als früher. Sie haben vermehrt Verdauungsstörungen. Schuld daran ist nicht das Gluten im Getreide, wie viele meinen, sondern sogenannte „FODMAPs“. Das sind spezielle Zuckerverbindungen im Weizen, die auch in anderen Getreidesorten wie Dinkel oder Emmer vorkommen. Diese Verbindungen können im Dünndarm nicht ausreichend abgebaut werden und verursachen die Beschwerden im Dickdarm. Schuld daran scheint die kürzere Gehzeit von Teigen in Bäckereien zu sein. Denn diese FODMAPs bauen sich erst durch längere Gehzeiten ab, am höchsten ist der Gehalt nach einer Stunde, nach viereinhalb Stunden sind gerade noch 10 Prozent der Verbindungen enthalten. Wer also nach dem Brotessen öfter Beschwerden hat, sollte auf Sauerteigbrot und Brote mit langen Gehzeiten umsteigen. Dasselbe gilt für Gebäck.
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Trendgetreide Dinkel und Kamut
Das Besondere ist gerade bei Brot und Gebäck die Regionalität. Denn in jeder Region gibt es ganz unterschiedliche Vorlieben und Rezepturen. Die Vielfalt beim Bäcker ist zwar so groß wie noch nie, jedoch verschwinden diese regionalen Unterschiede immer mehr. Die Brotlandschaft wird immer einheitlicher, dafür liegen aber andere Mehle, vor allem aus Dinkel, der für viele gesünder scheint, und auch aus Pseudocerealien wie Buchweizen, Amaranth und Quinoa im Trend. Kamut ist ein sehr altes, durch Züchtungen nicht verändertes Getreide. Er stammt vermutlich aus Ägypten und hat nur auf Grund seiner Widerstandfähigkeit und Anspruchslosigkeit überlebt. Wegen seiner goldgelben Farbe wird Kamut auch „Gold der Pharaonen“ oder „Seele der Pharaonen“ genannt. Die Körner sind größer als Weizenkörner und glasiger. Backwaren aus Kamut sind sehr saftig, bleiben länger frisch und schmecken leicht nussig. Dieses ideale Brot- und Backgetreide überzeugt nicht nur durch seinen Geschmack, sondern auch durch seinen hohen Gehalt an Protein. Es enthält etwa ein Drittel mehr Protein als normaler Weizen, außerdem mehr Selen und Eisen. Für Weizenallergiker kann Kamut eine Alternative zu herkömmlichem Weizen sein. Dinkel zählt zu den ältesten Getreidearten und ist eng mit dem heutigen Weichweizen verwandt. Seine Beliebtheit und Verbreitung verdankt er seiner Robustheit, denn er gedeiht auf fast allen Böden, und im Gegensatz zu vielen anderen hochgezüchteten Getreidesorten ist er sehr widerstandsfähig gegenüber Trockenheit, Nässe und Pilzerkrankungen. Dinkel scheint auch besser verträglich zu sein, als herkömmlicher Weizen, selbst bei einer Glutenunverträglichkeit, obwohl natürlich auch Dinkel Gluten enthält, denn Gluten ist nicht Gluten. Dinkel hat mehr Mineralstoffe und Vitamine als herkömmlicher Weizen und ist sehr eiweißreich. Obwohl das Korn so reich an Proteinen ist, sind Teige aus Dinkelmehl im Vergleich zu Weizenteig etwas aufwändiger in der Handhabung. Denn Dinkelteige sind geschmeidig und gut dehnbar, aber weniger formstabil und reißen leichter. Geringe Mengen an Ascorbinsäure (Vitamin C) zum Mehl können die Stabilität aber erhöhen. Im Biobereich wird das Extrakt der Acerolakirsche verwendet, denn diese Frucht enthält den höchsten Wert an Vitamin C, den es in Obst gibt. Ein weiterer Nachteil bei Gebäck aus Dinkel ist die Haltbarkeit. Es neigt dazu, schnell trocken und hart zu werden. Dieser Nachteil kann backtechnisch nur zu einem Teil ausgeglichen werden. Dinkelgebäck überzeugt aber durch den leicht nussigen und kernigen Geschmack.
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Hauptsache es schmeckt
Selberbacken ist gerade ein Boom, denn in den Corona-Lockdowns haben manche das Brotbacken für sich entdeckt und sind dabei geblieben. Aber auch etliche Gastronomen legen seit Jahren darauf Wert, ihren Gästen hochwertiges Gebäck und Brot auftischen zu können. Einige Köche pflegen ihren Sauerteig in der Gastroküche, tüfteln an Brotrezepten und sind stolz auf ihre Backspezialitäten. Manche haben sogar einen Holzbackofen, der einmal wöchentlich mit Broten beschickt wird. Aber natürlich liefern auch regionale Bäcker gute Qualität an die Gastronomie oder Hotellerie. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass inzwischen die Aufbackware das Sortiment bestimmt. Ob im Privathaushalt oder im Gasthaus: Aufbackware ist besser planbar, meist günstiger und einfach praktisch. Der Großteil kommt aus Großbetrieben, wobei die Zutaten und auch die Teigführung nur geringfügig von herkömmlichen Produkten abweichen. Meist wird etwas Fett verwendet, das den Teig fester macht und ihn besser auf die industrielle Verarbeitung vorbereitet. Nach dem Formen der Teiglinge werden diese in riesigen, aber energieeffizienten Backanlagen vorgebacken. Nach 50 oder 70 Prozent der Backzeit wird dann der Backvorgang unterbrochen. Ausgekühlt wird die Ware nun entweder tiefgefroren oder unter Schutzatmosphäre luftdicht verpackt. So ist das Brot und Gebäck länger lagerbar und kann nach Bedarf beim Endverbaucher fertig gebacken werden. 80 Prozent des Brotes kaufen Herr und Frau Österreicher im Supermarkt, also das täglich frisch gelieferte Brot vom Bäcker aus der Umgebung, aber natürlich auch die Aufbackware. Und auch das frische Brot in den Regalen kommt meist tiefgekühlt als Teigling in den Supermarkt, wird dort aufgebacken und als frisches Brot verkauft. So ist es auch in der Gastronomie, wo bereits beim Frühstück wahrscheinlich alle Varianten vertreten sind, ein spezielles Brot vom Bäcker aus der Umgebung neben knuspriger Aufbackware. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, und meist greift man zum Gewohnten. Aber auf Brot und Gebäck legt der Österreicher Wert, denn auf seine Semmel zum Gulasch oder sein knuspriges Roggenbrot zur Speckjause möchte er nicht verzichten.
Aus der GASTRO 09/21
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