Zeigte die COVID-19-Krise schon im Sommer 2020 erheblich negative Auswirkungen auf den heimischen Tourismus (Gästeankünfte 42,6%, Nächtigungen 31,8%), kam die Nachfrage in den ersten beiden Monaten der laufenden Wintersaison 2020/21 aufgrund weiterer Lockdowns in Österreich und auf wichtigen Herkunftsmärkten fast vollständig zum Erliegen (Ankünfte 93,6%, Übernachtungen 89,4%, Umsätze: nominell 90,3%, real 90,0%). Das zeigt die aktuelle Tourismusanalyse des Wirtschaftsforschungsinstitutes (WIFO).
Der Start in die Wintersaison 2020/21 wurde bereits im November vom zweiten Lockdown überschattet (Ankünfte 90,0%, Nächtigungen 79,7%), der fast nahtlos in den dritten Lockdown überging. Touristische Aktivitäten waren daher auch im Dezember 2020 praktisch kaum möglich (mit Ausnahme notwendiger dienstlicher Reisen sowie Kuraufenthalten; Gästeankünfte 95,9%, Übernachtungen 93,5%). Insgesamt belief sich die Zahl der Gäste in österreichischen Beherbergungsbetrieben in der Wintervorsaison damit nur auf rund 375.800 ( 93,6% gegenüber November bis Dezember 2019), jene der Nächtigungen auf 1,86 Mio. ( 89,4%). Erste Schätzungen des WIFO zu den Einnahmen im heimischen Tourismus spiegeln diese Entwicklung wider (nominell 90,3%, real 90,0%; ohne Berücksichtigungen von Zahlungen der öffentlichen Hand im Rahmen der COVID-19-Hilfen).
Über 80 Prozent Minus bei Nächtigungen
Einer aktuellen Schätzung des WIFO zufolge dürfte sich die Zahl der Nächtigungen im Winter 2020/21 auf insgesamt nur rund 10,2 Mio. belaufen und damit um etwa 83 Prozent unter dem Vorjahresniveau zu liegen kommen. Im Vergleich zum Rekordwinter 2018/19 mit 72,9 Mio. Nächtigungen würde das Einbußen von über 86 Prozent bedeuten. Dabei wird davon ausgegangen, dass die ausländische Nachfrage aufgrund von Reisebeschränkungen auch im März 2021 großteils ausfallen wird (Nächtigungen im Vergleich zum Vorjahr rund 80%, gegenüber März 2019 92%) und erst im April ein relevantes Niveau erreichen wird ( 43% bezogen auf 2019). Für den Binnentourismus wird, sofern es zu einer Aufhebung des touristischen Betretungsverbotes kommt, ein verhaltener Start im März (rund 2% weniger Nächtigungen als im Lockdown-betroffenen Vergleichsmonat 2020 bzw. 57% gegen das Normalniveau 2019) sowie eine deutliche Entspannung im April (etwa 28% verglichen mit 2019) erwartet. Zwar lässt die Unsicherheit über den weiteren Verlauf der Pandemie, verstärkt durch die Verbreitung von Virusmutationen mit erhöhter Ansteckungswahrscheinlichkeit sowie die beschränkte Verfügbarkeit von Impfstoffen, noch keine gesicherte Prognose zu, der weitgehende Entfall der Wintersaison 2020/21 ist jedoch nicht mehr zu verhindern. Selbst weiter als derzeit erwartet gehende Öffnungsschritte ab März werden daran wenig ändern.
Tourismuseinnahmen mit beträchtlichen Einbußen
Die Tourismuseinnahmen werden im Winter 2020/21 nicht nur durch entfallende Ausgaben von nächtigenden Touristen, sondern zudem durch beträchtliche Einbußen bei Tagesgästen verringert werden. Aufgrund fehlender Informationen dazu wird hier angenommen, dass Nächtigungs- und Tagestourismus gleich stark einbrechen. Zu beachten ist weiters die unterschiedliche Entwicklung in einer regionalen Perspektive: Im Analysezeitraum von November bis Dezember 2020 erlitten die stark von ausländischen Gästen abhängigen Bundesländer (Wien, Westösterreich) einen Totalausfall dieser Gästegruppe sowie in der Folge auch ihrer Umsätze. Die trotz Lockdown auffallend geringeren relativen Einbußen in Niederösterreich sind u. a. auf einen nach wie vor aufrechten Betrieb in Kuranstalten zurückzuführen; zudem zeigt sich in gewerblichen Ferienwohnungen – trotz touristischem Betretungsverbot – eine deutlich bessere Dynamik als in anderen Bundesländern (Nächtigungen: November 10,4%, Dezember 33,2%; bundesweit 76,7% bzw. 96,8%). Dabei dürfte Niederösterreich von den nach wie vor erlaubten dienstlich begründeten Aufenthalten profitieren, die in der Bundeshauptstadt Wien beschäftigte Arbeitskräfte tätigen.
Sommerprognose derzeit noch unmöglich
Während sich die Entwicklung der aktuellen Wintersaison schon deutlich abzeichnet, lässt es die erwähnte Ungewissheit über den Pandemieverlauf einerseits und den Impffortschritt andererseits kaum zu, gesicherte Aussagen zur kommenden Sommersaison und darüber hinaus zu treffen. Die pandemieinduzierte Wirtschaftskrise und die daraus entstehenden Einkommens- und Arbeitsplatzverluste verstärken diese Unsicherheit noch weiter.
Ein sehr optimistisches Szenario
Geht man in einem unter derzeitigen Gegebenheiten wohl sehr optimistischen Szenario davon aus, dass die Nächtigungen bereits im Mai 2021 bei 75 Prozent des Nächtigungsniveaus von Mai 2019 zu liegen kommen und sich diese Nachfragelücke danach kontinuierlich weiter abbaut (III. Quartal 2021 5,5% im Vergleich zu 2019, IV. Quartal 3%), so wird das Nächtigungsniveau 2021 nur knapp jenes des Jahres 2020 erreichen und immerhin um rund 36 Prozent unter dem des Jahres 2019 liegen. Somit ist frühestens 2022 mit einer Nachfrage zu rechnen, die annähernd das Vorkrisenniveau erreicht – geht man davon aus, dass die Erholung des Städtetourismus durch die Abhängigkeit von Fernmärkten und Flugverbindungen verzögert eintritt, so dürfte erst 2023 mit einer Normalisierung zu rechnen sein.
Reiselust trotzdem ungebrochen
Bei aller Unsicherheit und den vielen Problemen, mit denen die österreichische und internationale Tourismusbranche zu kämpfen hat, besteht doch auch Grund zu Optimismus: Der Tourismus gehörte in den vergangenen Jahren national wie global zu den Bereichen mit der höchsten Dynamik. Die Reiselust der Menschen ist nicht nur ungebrochen, vielmehr kann man davon ausgehen, dass sie durch die lange Zeit der Reisebeschränkungen noch größer wurde. Österreich wurde im vergangenen Sommer von vielen Inländerinnen und Inländern als Haupturlaubsland wiederentdeckt und konnte seine Vorzüge präsentieren – es erscheint durchaus möglich, dass dieser Impuls eine nachhaltigere Belebung des Inlandstourismus nach sich ziehen kann.