Wo die Liebe hinfällt

Das Café Landtmann ist eine Institution. Genau wie sein Betreiber, Berndt Querfeld, steckt es voller Geschichten. Zum Beispiel jener, wie ein Handsemmerl sein Herz eroberte.

TitelbildHaubis

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Typisch für ein Wiener Kaffeehaus ist der Klang: das Geplauder in verschiedenen Sprachen, das Geklapper von Geschirr und die zackig-professionellen Wortwechsel der Kellner, die Bestellungen aufnehmen, die hier ebenso typisch sind.

Ein kleiner Mokka, etwa, oder ein überstürzter Neumann – sprich: ein doppelter Espresso, der in einem Kännchen serviert und über einen Gupf Schlagobers im Häferl gegossen wird – oder ein Fiaker – ein doppelter Espresso mit Rum, Schlagobers und obenauf einer Cocktailkirsche. Die Kellner, das ist das Einzige nicht vermeintlich Typische, sind freundlich und höflich, ihre schwarzen Fracks sitzen wie angegossen, ihre kleinen Finger sind perfekt abgespreizt von den Tassen mit vergoldeten Henkeln.

„150 Jahre Café Landtmann“ steht darauf und spätestens jetzt ist klar, warum hier alles in einer so perfekten Choreografie abläuft. Wir befinden uns in einem der traditionsreichsten Cafés der Stadt, in einer Institution, einer Legende. Wenn wir aus dem Fenster schauen, sehen wir rechts die Universität, links das Rathaus und ein Stück weiter das Burgtheater. Und auf den Bänken des Landtmann sind sie alle gesessen: die Gelehrten, die Politikerinnen, die Künstler.

Heute sitzt der Hausherr auf einer der mit gemustertem Stoff überzogenen Bänke, letzte Nische links, und nippt an seinem Kaffee. Berndt Querfeld ist ein großer Mann und in seiner Hand wirkt die Mokkatasse, die Herr Erich an den Tisch bringt, winzig klein. Mokka, sagt er, sei jetzt sein Kaffee. Jetzt, im Sinne von? „Ich bin erwachsen geworden“, sagt der 58-Jährige. Früher habe er keinen kleinen Mokka getrunken, sondern Melange aus der großen Schale. Aber das hat sich geändert. Von „mit Kaffee gefärbter Milch“ hält er heute nicht mehr viel, ist beim internationalen Trend in Richtung „Latte“ und „Macchiato“ ausgestiegen. Überhaupt, das mit den Kaffeesorten sei ja eine lustige Geschichte, vor allem das mit Cappuccino und Melange.

Berndt Querfeld erzählt, wie es war, als die Menschen anfingen zu reisen, ins Sehnsuchtsland Italien, und dort den Cappuccino tranken. Der aber im Grunde nichts anderes war als die Wiener Melange, also ein Kaffee mit Milchschaum. „Das Problem ist nur, dass überall anders in der Welt die ‚Wiener Melange‘ mit Schlagobers zubereitet wird.“ Es folgte eine lange Recherche, die Berndt Querfeld unternahm, in die Tiefen der unterschiedlichen Röstungen und Wassermengen. Und er kam in der Causa Melange-Cappuccino zu einem Ergebnis: Beide werden mit geschäumter Milch serviert, allerdings besteht der zugrunde liegende Espresso aus unterschiedlich gerösteten Bohnen.

Kaffee und Kultur

Um den Kaffee an sich geht es am Ende ja ohnehin nicht. Zwischen Kaffeekultur und Kaffeehauskultur, sagt Berndt Querfeld, gebe es schließlich einen Unterschied. „Kaffeehäuser“, sagt er, „sind Orte, wo man Platz, Zeit und Raum genießen kann, aber nur der Kaffee auf der Rechnung steht.“ So steht es auch in der Beschreibung des immateriellen, nationalen Kulturgutes Kaffeehaus der UNESCO. Für Berndt Querfeld ist es „ein schützenswertes soziales Wesen, ein Ort, an dem man sich mit unbestimmten Bedürfnissen länger aufhalten darf als nur zur Nahrungsaufnahme.“ Den Wienern ist das ihr Kaffeehaus.

„Und ich glaube, alle Gesellschaften brauchen so einen Ort.“ Auch, weil es ein analoger Ort sei, der in einer digitalen Welt immer wichtiger wird, immer mehr Bedeutung bekommt. „Sich auf einen Kaffee zu treffen“, sagt er, „ist ja schon allein etwas ganz Eigenes. Es gibt einfach Situationen, die verlangen nach diesem speziellen Getränk. Sich auf einen Kaffee zu treffen, ist eine bestimmte Art von Treffen, das sich in jede Richtung entwickeln kann.“

Kaffeehäuser sind also auch Orte, an denen Beziehungen anfangen, entwickelt und gepflegt werden. Mit Beziehungspflege kennt Berndt Querfeld sich aus. So hat er nicht nur als Ehemann, sondern auch dem Gastro-nomie-betreiber viele, langjährige Partnerschaften vorzuweisen. „Das ist mir von meinen Eltern mitgegeben worden“, sagt er, der eigentlich Gärtner gelernt hat und schließlich ins Kaffeehaus seiner Eltern Anita und Herbert Querfeld eingestiegen ist, „dass man Partnerschaften mit Unternehmen nicht wechselt wie die Unterhosen, sondern in guten wie in schlechten Zeiten zusammensteht.“

Das gehört zur Unternehmens- und Lebenskultur der Querfelds. Mit Haubis verbindet sie eine solche Partnerschaft, die vor rund einem Jahrzehnt auf geradezu kitschige Weise begonnen hat: Berndt Querfeld saß damals beim „Stadtwirt“ auf ein Mittag-essen. Zu seinem Gulasch wurde ihm ein herrliches Gebäck serviert. „Ich dachte mir, das ist bestimmt von einer der ‚hippen‘ Bäckereien, die zu der Zeit in der Stadt überall aufgemacht haben.“ Nach dem Essen, die Handsemmel ging ihm nicht mehr aus dem Sinn, schrieb er an den Betreiber des Stadtwirts: „Ich hab so ein herrliches Gebäck gegessen, würdet ihr mir sagen, wo ihr es herhabt?“

„Partnerschaften wechselt man nicht wie die Unterhosen, sondern man steht in guten wie in schlechten Zeiten zusammen.“

Berndt Querfeld, Patron des Café Landtmann

Hier spricht die Qualität

Die Antwort überraschte Berndt Querfeld. Er vermutete eine kleine Bäckerei ums Eck, die frische Semmeln liefert, nicht aber, dass das Lokal die Semmeln selbst frisch backte. Die Qualität sprach für sich und überzeugte den Kaffeehausbetreiber restlos. So wurden aus Querfeld und Haubis Partner. Ein Ofen wurde angeschafft, mit dem maßgeschneiderten Back-Programm ausgestattet. Und seither gibt es sieben Tage die Woche perfekte Handsemmeln, Jour-Salzstangerln und Croissants im Café Landtmann. „Früher wurden die Semmeln vom Samstag eingefroren und am Sonntag aufgebacken“, sagt Berndt Querfeld. „Dass eine Semmel am Sonntag zach war, war normal. Wen das störte, der hat eben Schwarzbrot gegessen.“

Pläne für die Zukunft macht Berndt Querfeld nicht. Er ist einfach nicht der Typ dazu. In der Familie wurde viel überlegt und diskutiert, geschaut, wer sich für welche Position eignen würde. Aber die besten Dinge, die passieren sowieso auf unvorhersehbare Weise, da ist sich Berndt Querfeld sicher. So wie es damals nicht der Plan war, ins Kaffeehaus einzusteigen, es sich aber einfach ergeben hat. So hat sich der Mokka als sein Lieblingskaffee entwickelt. So hat sich das Haubis Handsemmerl plötzlich in sein Herz geschlichen. Und so wird es wohl auch in Zukunft weitergehen.

Das Café Landtmann, eine Institution

Seit 150 Jahren gibt es das Café Landtmann, genauso lange wie das Gebäude selbst. 1873 wurde das Haus an der Ringstraße fertiggestellt, ein Café im Erdgeschoss war von Anfang an fest eingeplant. Es war ein großes Jahr für die Stadt: Nicht nur wurde die Hochquellenwasserleitung im gleichen Jahr finalisiert, es war außerdem Welt­ausstellung in der Kaiserstadt, die sich dafür besonders herausputzte. Im Lauf der Jahre hatte das Café Landtmann einige Besitzer, der Namens­gebende Franz Landtmann agierte dabei am kürzesten von allen.

Seit 1976 ist es im Besitz der Familie Querfeld, die noch weitere Gastronomiebetriebe in Wien, etwa das Café Museum oder das Bootshaus Alte Donau betreiben. Das Unternehmen ist ein echter Familienbetrieb, Berndt Querfeld – Berndt mit „dt“, Querfeld ohne, Landtmann mit – betreibt es gemeinsam mit seiner Frau Irmgard Querfeld und seiner Schwester Andrea Winkler. Die nächste Generation – die Söhne Ferdinand und Rudolph Querfeld – sind bereits Teil der Geschäftsführung. Nichte Elisabeth ist für Personalmanagement und Employer Branding mitverantwortlich.

www.cafe-wien.at

www.haubis.at

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