„Die Zeit der günstigen Gasthausbesuche ist vorbei“

Gastro-Obmann Mario Pulker fordert rasche Staatshilfen für die Branche, um ein massives Wirtesterben zu verhindern.
Gastro-Obmann Mario Pulker fordert rasche Staatshilfen für die Branche, um ein massives Wirtesterben zu verhindern.

Mario Pulker, der Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer Österreich, sprach mit GASTRO-Redakteur Clemens Kriegelstein über die aktuelle Stimmung in der Branche, notwendige Staatshilfen und die Wahl zwischen Pest und Cholera.

GASTRO: Herr Pulker, wie ist die Stimmung derzeit? Wenn man in Wien unterwegs ist, sind die Lokale derzeit trotz der gestiegenen Preise voll.
Mario Pulker: Das stimmt für Wien absolut, der Tourismus in Wien ist wieder angelaufen und viele Lokale sind gut besucht. Anders sieht die Sache aber am Land aus. Der Ausflugstourismus leidet merkbar, woran sicher auch die hohen Spritpreise schuld sind. Aber auch die Inflation generell macht sich hier bemerkbar. Und ich bekomme sehr viele Schreiben von Kollegen, die sagen, sie können spätestens im Herbst die Strompreise nicht mehr stemmen. Die gibt’s Betriebe, bei denen erhöhen sich diese Kosten um 400 bis zu 900 Prozent. Das ist natürlich wirtschaftlich nicht machbar, wenn es hier nicht bald zu einer Lösung kommt, etwa durch einen Strompreisdeckel. Dazu kommt, dass die Leute ohnehin alle weniger Geld zur Verfügung haben. Da greift man dann halt auf in Lockdownzeiten gelernte Verhaltensweisen zurück, kauft sich die Kiste Bier im Supermarkt und trifft sich in den eigenen vier Wänden.

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Also Pest oder Cholera? Wenn man die Preise so weit wie nötig erhöht bleiben die Gäste aus und man geht Pleite, wenn man die Preise gleich lässt, ebenfalls.
Das ist leider genau so.

Stimmen die Meldungen über einen bereits merkbaren Rückgang beim Trinkgeld?
Ja stimmt auch, ist allerdings ebenfalls wieder von Lokal zu Lokal unterschiedlich. In der gehobenen Gastronomie sitzt das Geld noch etwas lockerer, da ist business as usual, aber in den einfacheren Betrieben, wo die Gäste tendenziell eher rechnen müssen, ist schon ein Rückgang zu bemerken.

Hohe Einkaufs- und Energiepreise, kein Personal, ausbleibende Kunden – steht die Gastronomie gerade vor einer größeren Krise als bei Corona?
Ja, auf jeden Fall! Wir laufen gerade mit Vollgas in diese Krise.

Sollte der Staat etwa mit einer Verringerung der MWSt wie bei Corona wieder helfen?
Unbedingt muss der Staat hier unterstützend eingreifen. Hier wurden etwa durch die Unterstützung der Sanktionen gegen Russland massive Probleme auf Kosten Dritter geschaffen, also ist jetzt auch der Staat gefragt, in dieser Situation eine Lösung zu finden. Und die einfachste Ad-hoc-Lösung wäre eben eine Senkung der Mehrwertsteuer, wie wir das ja aus Coronazeiten kennen. Wenn nicht rasch etwas passiert haben wir 1000prozentig ein massives Wirtesterben!

In Italien hängen manche Gastronomen angeblich schon ihre Stromrechnung ins Fenster, um ihre gestiegenen Preise zu erklären. Wird es bei uns auch bald soweit sein?
Das glaube ich jetzt eher nicht, weil es in Österreich zum Glück eine recht gastrofreundliche Medienlandschaft gibt, die auch über die Branche berichtet. Also kaum jemand, der heute ins Wirtshaus geht, weiß nicht über die derzeitigen Probleme und damit über die Ursachen eventuell gestiegener Preise Bescheid.

In diversen Medien werden umgekehrt Lokale angeprangert, die für ein großes Soda Zitron schon über fünf Euro verlangen. Kann man die Preiserhöhung auch überziehen?
Das ist ein schwieriges Thema. Letztlich muss jeder Wirt seine Preise für sich selbst kalkulieren und jeder Konsument muss für sich selbst entscheiden, ob er einen bestimmten Preis bezahlen will oder nicht. Vielleicht gibt es ja auch ein günstigeres Getränk. Aber ganz generell muss man sagen, dass der Österreicher halt im internationalen Vergleich gewohnt war, dass der Gasthausbesuch bei uns immer sehr günstig war. Das ist definitiv vorbei!

 

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