Verweile doch, du bist so schön!

Bilder von kunstvoll angerichteten Speisen fluten die Social-Media-Kanäle. Unter dem Hashtag #foodporn findet man alleine auf Instagram um die 190 Millionen Bilder. Durch ein Bild will man schließlich den flüchtigen Moment des Genusses für die Ewigkeit konservieren. Das bleibt nicht ohne Folgen für die Gastronomie: das Netz setzt kulinarische Trends, die Gäste sind beim Essen auf das Fotografieren ihrer Gerichte fokussiert und das Design der Speisen wird in den Vordergrund gerückt, während der Geschmack, der nicht mit einer Kamera festzuhalten ist, vernachlässigt wird.

Amador beim Anrichten am Bass „Essen ist mehr als die bloße Aneinanderreihung von hübsch anzusehenden Gerichten. Es ist Emotion. Und die braucht keinen Filter“, ist Juan Amador überzeugt.
Amador beim Anrichten am Bass „Essen ist mehr als die bloße Aneinanderreihung von hübsch anzusehenden Gerichten. Es ist Emotion. Und die braucht keinen Filter“, ist Juan Amador überzeugt.

Diese Umstände haben Juan Amador dazu veranlasst, „Foodporn“ aus seinem Schaffen zu verbannen. Seine Gäste holt sich der Spitzenkoch als Verbündete ins Boot – sie sollen überzeugt werden, dem ausufernden „Foodporn“ selbst entgegenzuwirken. „Food-Fotos sind heute zur härtesten Währung in der internationalen Gastronomie geworden. Sie sorgen für Fläche in den Printmedien, für Likes und Reichweite auf Social Media und für eine Vielzahl der weltweit besten Köche sind Food-Bilder sogar wie Visitenkarten. Eine oberflächliche Entwicklung, die der Gastronomie schadet“, sagt der aus Deutschland stammende Koch und Unternehmer, der seit 2016 in Wien das Restaurant Amador betreibt (2 Michelin Sterne, 18 Punkte Gault&Millau).

„Denn über das eigentliche Erlebnis eines Restaurantbesuchs sagt ein Food-Foto überhaupt nichts aus. Da geht es um Emotionen auf ganz anderen Ebenen: Geschmack, Ambiente, zwischenmenschliche Beziehungen. Diese müssen wir auch in der Kommunikation wieder in den Vordergrund stellen.“

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Smartphones: Bitte draußen bleiben!

Aus dieser Entwicklung zieht Amador nun die Konsequenz: Ab sofort werden sowohl auf der Homepage als auch auf den Social-Media-Kanälen keine Fotos mehr von seinen Speisen mehr zu finden sein. Den Gästen im Restaurant wird erklärt, warum man bittet, auf das Fotografieren der Gerichte zu verzichten. Ein Verbot soll es jedoch nicht geben. Amador:

„Von Verboten halte ich nichts, sie sind genau die falsche Message. Durch Hektik und Stress der heutigen Zeit sind die Menschen oft getrieben und fotografieren wie automatisch, ohne groß darüber nachzudenken, ob das einen Sinn macht. In Wirklichkeit betrügen sie sich selbst um die Magie des Genusses. Für die Dauer des Besuchs in unserem Restaurant geben wir den Gästen nun die Möglichkeit, sich von diesen antrainierten Zwängen zu befreien.“

Mobiltelefone können am Empfang abgegeben werden, bei eingehenden Anrufen werden die Gäste informiert.

Mood-Bilder statt Food-Bilder

Mood-Bilder statt Food-BilderAnstatt der Food-Fotos setzt der Sternekoch vermehrt auf Stimmungs- und Detailfotografie, um das Restauranterlebnis auch visuell darzustellen. Für die aktuelle Fotoserie wurde dazu Sport-Fotograf Markus Oberländer engagiert. „Im Sport geht es darum, Emotionen festzuhalten. Und genau das wollen wir hier auch. Also haben wir uns bewusst für jemanden entschieden, der komplett aus einem anderen Bereich stammt.“ Im Laufe des Jahres will man dies auch mit Videos und Liveübertragungen aus der Küche ergänzen, für deren Umsetzung der bekannte Grazer Kameramann Philipp Lihotzky gewonnen werden konnte.

„Wir sind uns bewusst, dass mit den Food-Fotos etwas wegfällt, womit sich die Leute gerne einen ersten Eindruck über uns machen. Deshalb werden wir in der Kommunikation nach außen einzelne Sinne verstärkt und auch ungewöhnlich ansprechen – vor allem das Hören“, erzählt Amador und ergänzt: „Nur für die Erinnerung ist das Fotografieren völlig belanglos. Denn unser Gehirn hilft uns hier ja gut weiter: Hat uns das Gericht auf eine besondere Weise berührt, dann merken wir uns das automatisch. Da brauchst du kein Foto mehr dafür. Ich kann mich an Gerichte bis ins letzte Detail erinnern, die ich vor Jahren oder auch in meiner Kindheit gegessen habe.“ Und am Ende geht es genau darum. „Essen ist mehr als die bloße Aneinanderreihung von hübsch anzusehenden Gerichten. Es ist Emotion. Und die braucht keinen Filter.“

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