„Stetig vorwärts gehen“

„Gib mir eine Kombi, die sowohl das Essen als auch den Wein in andere Sphären katapultiert!“ Das sieht Helena Jordan, Sommelière des Jahres 2024, den Auftrag an ihre Zunft. GASTRO sprach mit der frischgebackenen Siegerin.

Frau Jordan, Sie sind Sommelière des Jahres 2024. Wo liegen die Wurzeln Ihres Erfolges?
Ich denke die Wurzeln meines Erfolges liegen darin, niemals aufzugeben, und selbst mit Zweifel stetig vorwärts zu gehen. Das heißt nicht, dass ich keine Angst habe, sondern nur, dass ich trotzdem handle.

Wie und wo wurde die Liebe zum Wein geweckt?
Bei meinen Eltern war die Liebe zu Wein schon immer da. Wein war ein Genussmittel, das öfters mal zum Abendessen am Tisch stand. Wirklich einzutauchen, begann ich erst in meiner Ausbildung in der HLW Bad Ischl, indem meine geschätzte Servicelehrerin uns zu Jungsommeliers ausbildete. Da begann ich zu erkennen, dass dies eine schier unendliche große Welt ist, die sich mir da auftut. Und ein bisschen Spaß hat es mir schon gemacht, dass ich auf einmal in der Welt der Erwachsenen mit Neu-Erlerntem angeben konnte.

Werbung

Wann erfolgte die offizielle Ausbildung zur Sommelière?
Die 1. offizielle Ausbildung über den klassischen österreichischen Wifi-Weg, begann ich 2012/2013 in meiner Zeit in Wien. Ich merkte schnell, dass ich mich weiterbilden muss, um meinen Karriereweg zu beschleunigen. Wien war der perfekte Ort dafür. Durch Wifi-Kollegen kam ich schnell in eine Runde aus Gleichgesinnten, die viel verkostete, lernte und Winzer besuchte. Die ersten Natural Weine begannen die „Traditionalisten“ zu empören und wir waren genau da zur Stelle, um die junge Generation Winzer auch in der Gastronomie zu vertreten.

Wien, bei Juan Amador oder im Tian in New York, die Schweiz – leitende Positionen in der Spitzengastronomie säumen Ihren Werdegang: Welche der Stationen haben Sie am meisten geprägt?
Die schon erwähnten Sommeliers aus meiner frühen Wien-Zeit, vor allem aber Leo Kiem, den ich über gemeinsame Freunde in der Sommelier Szene kennen gelernt hatte und war bei ihm im ursprünglichen Format seines „Agora Vino“ dabei. Im Speziellen, weil er anders war als die anderen Sommeliers. Vielschichtiger interessiert, international versiert etc. Das hat mir imponiert. Leo war auch der, der mich motivierte wieder ins Ausland zu gehen. „Hingehen, hart arbeiten, Manager werden“, hat er immer zu mir gesagt.

Ansonsten hat jede einzelne Station bei mir Spuren hinterlassen. Negative sowie positive. Ich möchte keine davon missen. Hervorzuheben sind vielleicht die Zeiten im Blue Hill at Stone Barns in New York State und Maaemo in Oslo. Nicht nur die Restaurants, sondern auch die Freundschaften, die in diesen Teams entstanden sind.

Österreichische Jungwinzer mit Natural Weinen haben es Helena Jordan besonders angetan.
Österreichische Jungwinzer mit Natural Weinen haben es Helena Jordan besonders angetan.

Was führte Sie in die USA?
Mein erster Abstecher in die USA war sofort nach der Matura mit 19 Jahren in einen Golf Country Club in Florida. Über eine Agentur konnte man so sehr einfach einen Auslandsaufenthalt für ein Jahr bekommen und ich hatte einfach nur Fernweh. Das zweite Mal USA durfte ich durch die Fundaziun Uccelin von Andreas Caminada mittels eines Stipendiums erfahren. Die Möglichkeit, risikofrei ins Ausland zu gehen und in die besten Restaurants der Welt zu schnuppern, kam für mich 2016 gerade richtig. In diesem High Potential Programm durfte ich in vier Restaurants der Schweiz und International (meiner Wahl) ein Praktikum machen. Ich hab‘ mich für New York entschlossen, weil ich dieses Visum selbst schwieriger auf die Füße hätte stellen können. Ich dachte mir, für Europa ist auch später noch Zeit. Das Angebot von Blue Hill at Stone Barns, mein Visum auf ein Jahr zu verlängern, nahm ich natürlich dankend an.

Sie haben auch auf Weingütern, z.B. in Südafrika, mitgearbeitet. Wie wichtig ist dieser Baustein für den Erfolg?
Meiner Meinung nach sehr wichtig. Ich war mir nie zu schade, anzupacken. Ich liebe es, im Gegensatz zu der Arbeit im Gastraum mir auch manchmal die Hände, das Gewand und die Haare so richtig dreckig zu machen. Ich liebe es mit der Natur zu arbeiten. Für mein Verständnis von Wein hat diese Erfahrung natürlich auch viel beigetragen. So kann ich jetzt auch dem Gast Wein besser erklären. Ich bin ein visueller Typ beim Lernen. Was ich noch nie selbst in der Hand gehabt habe oder gesehen habe, merke ich mir sehr schwer.

Welche (persönlichen) Eigenschaften sind für eine Sommelière aus Ihrer Sicht am wichtigsten und welche in der Ausbildung?
Als Gast kenne ich die Weine und die Küche des Restaurants vielleicht nicht. Ich möchte von meiner Sommelière verstanden werden, an der Hand genommen UND ernst genommen werden und nicht für blöd verkauft werden. Dazu gehört auch, nicht mit hochprofessionellen Wörtern herumzuwerfen, AUSSER der Gast ist auf dem Niveau. Und natürlich gut betreut werden – richtiges Glas, richtige Temperatur, richtiges Tempo.

Die Sommelière hat nicht nur den Wein, sondern auch den Gast zu verstehen. Das ist mir in meiner jetzigen Situation im Mostviertel am wichtigsten. Meine Gäste waren anfangs skeptisch, was Natural Weine und auch die klassisch ausgebauten Weine, von Winzern deren Namen man nicht kennt, anbelangt. Keiner hat geglaubt, dass ich mich mit Wein auskenne und keiner wollte diese neuartigen, modernen Weine kosten. Ich habe mir ihr Vertrauen erarbeitet und jetzt kann ich sie auch manchmal überraschen. Die große Kunst der Sommelière, auf die ich mich auch gerne als Gast einlasse, ist die Speise-Weinkombination. Wie schon erwähnt: Ich habe die Speisen noch nie gegessen, aber der Sommelier schon. Gib mir eine Kombi, die sowohl das Essen als auch den Wein in andere Sphären katapultiert. Da man als Sommelière ein grundlegendes Verständnis von Geschmäckern braucht, hilft es, wenn man gerne kocht und viel kostet. Fett, Säure, Süße – was macht das Ganze mit dem Gaumen? Nur so kann man lernen, welcher Wein eine gute Kombination wäre.

Weiter auf Seite 2

Werbung

Aktuell

Im Trend
Die Top 5 des Tages

GASTRO-NEWSLETTER

Um über die neuesten Nachrichten, Angebote und Sonderankündigungen auf dem Laufenden zu bleiben.








Cover Storys