Vier-Hauben-Koch und jetzt auch Koch des Jahres 2023, verliehen von Gault Millau: Mit GASTRO sprach Lukas Nagl über die Ehrung, seine Küchenphilosophie und die künftigen Küchentrends.
„Koch des Jahres“ - was macht das mit Ihnen, Herr Nagl?
Es war eine Riesenfreude und eine irrsinniger Ansporn für die Mitarbeiter. Sie sind stolz, dass wir zusammenarbeiten. Und: Ich habe nie damit gerechnet! Diese Auszeichnung ist etwas ganz Besonderes, denn verliehen wird sie von Profis und das heißt, dass man gut unterwegs ist. Zudem kann man sie nur einmal im Leben bekommen und sie bleibt einem dann für immer.
Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Ich verfolge keine Trends. Unser kontinuierlicher Weg einer ehrlichen, bodenständigen Küche im Einklang mit den Produzenten hat sich bewährt! Und wir machen es ehrlich! Wir sind keines der Fake-Restaurants, die an zwei Tischen Besonderes serviert, aber die Halbpensions- Gäste bekommen dann etwas anderes. Bei uns bekommen alle das Gleiche! Essen ist identitätsstiftend! Selber kochen und das regional und nach alten Rezepten. So wie früher. Wir müssen zurück zum Sonntagsbraten!
Was verstehen Sie unter Integrationsküche, Herr Nagl, die Sie immer wieder erwähnen?
Das ist das, was die österreichische Küche ausmacht! Offen sein für Neues! Früher war es die Donaumonarchie mit ihren Einflüssen aus den verschiedensten Gegenden. Heute machen wir Sojasauce aus Kernöl! Die Integrationsküche ist, etwas Neues aus unseren Produkten zu machen!
Mach alles mit Herz, Hirn und Hand
Seit 2011 kocht Lukas Nagl in den Traunseehotels der Familie Gröller und hat dort auch alle seine Hauben erkocht. Seit 2019 hält er vier Hauben. Angefangen als Sous Chef im Bootshaus, ist er nun Herr über rund 20 Köche und acht Lehrlinge in zwei Häusern. Als Executive Küchenchef „federführend für die Küchenlinie“, bespielt er das Wirtshaus Poststube 1327 und das legendäre Gourmet-Restaurant Bootshaus im Hotel das Traunsee. „Mach alles mit Herz, Hirn und Hand“ ist die Devise von Lukas Nagl. Genauso, wie aus Altbekanntem Neues zu kreieren, die regionale Küche weiter zu entwickeln. „Wir brauchen eine neue Esskultur“, sagt er.
Was Sie ja auch in Ihrer eigenen Firma Luvi Fermente umsetzen, wo fermentieren das Grundprinzip ist!
Ja, unser Anspruch ist, aus etwas Einfachem, das bei uns wächst, etwas Großartiges zu machen. Ich beschäftige mich mit dem Fermentieren bereits seit vielen Jahren und seit sechs Jahren auch in der Firma. Es braucht Zutaten, mit denen man die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen ins Essen hineinbringt, ohne dabei das Grundprodukt zu übertönen. Fermentiertes hat genau diese Fähigkeit. Nebenbei ist es auch noch gesund, was Studien in Japan bestätigen. (Das Credo von Luvi ist: Regionale Interpretationen fernöstlicher Fermente. Lukas Nagl produziert hier gemeinsam mit zwei Lebensmitteltechnikern Sojasaucen, Misopasten, Chilisaucen und Fischsaucen aus heimischen Zutaten)
Herr Nagl, wir kommen gerade von einem Zero Waste Vortrag, wie wichtig wird das Thema werden?
Immens wichtig. Wir überlegen den ganzen Montag, was von Donnerstag bis zum folgenden Montag gebraucht wird. (Dienstag, Mittwoch ist das Restaurant Bootshaus geschlossen). Zero Waste in der Gastronomie ist Kopfsache, die bei weniger und richtig einkaufen beginnt! Es bedeutet auch, aus weniger wieder mehr zu machen. Die Leute wollen was ändern, man muss ihnen nur das Werkzeug an die Hand geben. Ich sage zu meinen Köchen: „Lasst das Kühlhaus leer! Dann werdet ihr kreativ!“
Für uns ist das nicht unbedingt neu, denn beim Fisch wird zum Beispiel schon immer der ganze Fang gekauft. Was einerseits die Kreativität der Küche fördert und andererseits den Fischern eine Abnahmegarantie gibt. Auch Noseto- tail, Bio und Nachhaltigkeit sind bei uns gelebte Philosophie Mit Zero Waste werden österreichische Produkte völlig neu gedacht: Aus Gerste wird zum Beispiel Bio-Gerstl-Miso. Zero Waste ist ein Auftrag an die Küche der Zukunft!
Nicht zu übersehen ist auch der Einfluss japanischer Küche, woher kommt das?
Weil es ein Volk ist, das am Wasser lebt, also uns ähnlich. Und der nihilistische Zugang zu Lebensmitteln fasziniert mich. Außerdem sagt man ja, die Japaner würzen mit dem Messer und das bezieht sich auf die Schneidetechnik, von der die Qualität stark abhängt!
Wie halten Sie es mit der Regionalität, Herr Nagl?
Ich halte nichts vom Radius ziehen mit dem Zirkel, sondern es muss praktikabel sein. Aber natürlich ist es selbstverständlich, mit dem zu kochen, was aus der Region kommt. Das schätzen Einheimische wie internationale Gäste gleichermaßen, die wollen keine Allerwelts- Küche! Was aus dem Umfeld zu beziehen ist, das holen wir dort und da von kleinen Lieferanten. Das ist nicht nur im Sinne der Qualität ein Kriterium, sondern auch hinsichtlich der Umwelt.
Sie sind ein Meister, was den Fokus auf den See anbelangt, in dem sich die Regionalität ja ganz stark widerspiegelt.
Meine Liebe zum Fisch war immer schon da, ich bin aufgewachsen am Attersee. Und der Traunsee ist natürlich auch eine Inspirationsquelle mit einem guten Netzwerk. Das gibt uns schon viele Möglichkeiten! Fachleute sagen, die Speisekarte ist ein klares Kommunikationsangebot. Sie praktizieren diese ja schon seit Jahren etwas anders! Bei uns im Restaurant Bootshaus gibt’s einen Zutatenwagen, auf den alle Produkte kommen, die sich in der Speisenfolge des Abends finden.
Das Bio-Kürbiskern-Shoyu ...
... aus Lukas Nagls Firma luvi ist das Bio-Produkt des Jahres 2023! Die Sauce besteht aus Kürbiskernpresskuchen und Weizen vom Biohof Leitner aus Regau sowie einem Teil des Kürbiskernpresskuchens vom Kürbishof Metz in Haag / NÖ. Der Herstellungsprozess ist dem der Sojasauce recht ähnlich, nur dass statt der Sojabohnen ein Kürbiskernpresskuchen verwendet wird, der normalerweise nach dem Ölpressen entweder verfüttert oder wieder am Feld ausgebracht wird. Der hohe Proteingehalt des Presskuchens eignet sich für diese Art der Fermentation hervorragend, das Ergebnis ist eine nussige Soja-Sauce ohne Soja.
Ist das wirklich nachhaltig, Herr Nagl, wenn die Produkte so lange heraußen liegen?
Die Produkte liegen zirka 1 ½ Stunden auf dem Wagen, Fleisch und Fisch sind gekühlt und so wird alles weiterverwendet. Deshalb ist für uns auch die Uhrzeit wichtig, zu der die Gäste kommen, das ist zwischen 18 Uhr und 19h30. Denn dann können wir planen und die Produkte liegen nicht lange!
Wie sieht die Spitzengastronomie in Zukunft aus?
Meine tiefe Überzeugung ist, wir müssen dahin zurück, das Gesellschaftliche und Soziale des Essens zu zelebrieren. Und wir müssen fokussieren! Klar für etwas stehen. Wir stehen für Salzkammergut, Regionalität, Fisch!
Die Preisgestaltung in der Topgastronomie ist immer ein Thema, ein 7-Gänge Menü kostet bei Ihnen 170,00 €. Sind die Gäste bereit, diese Preise zu zahlen?
Die Leute, die zu uns kommen, sind bereit das zu zahlen und Gäste für die Topgastronomie wird es immer geben!
Gibt es ein Lieblingsprodukt, Herr Nagl?
Porree mag ich sehr, weil er so vielseitig ist. Auf Backpapier im Ofen, als Paste für Erdäpfel- Lauch Püree oder einfach als Ringel in Butter gebraten. Er ist die klassische Integrationsküche!
Es fällt auf, dass Sie bei fast allen Fragen im „wir“ sprechen, Ihr Team hat offenbar große Relevanz?
Wir arbeiten miteinander, um das Beste zu erreichen. Jeder kann irgendetwas anderes besonders gut.
Kochbuch
Lukas Nagls neuestes Kochbuch ist ein Standardwerk über Süßwasserfische geschrieben, das seinen großen Bezug zum See zeigt. Den Rezepten vorangestellt ist ein Theorie-Teil, dazu kommen Abschnitte über Fischereitechniken, eine Fisch- und Gewässerkunde, ein Exkurs in die historische Fischküche und ein Fischlexikon von Aal bis Zander. Auf die Verwendung des ganzen Fisches wird ausführlich eingegangen und wie es seinem Küchenstil entspricht, verbindet er auch hier präzises Handwerk mit Kreativität und Bodenständigkeit. Leitmotiv ist die Verbindung bekannter Gerichte und Zubereitungen, die er zeitgemäß mit Süßwasserfischen variiert.
ISBN: 978-3-71-040336-1