WIFO erwartet deutliches Minus für gesamtes Tourismusjahr 2021

Auch ein erfreulicher Sommer wird die gesamte Tourismusbilanz des Jahres 2021 laut WIFO nicht retten können – dafür waren die Verluste im ersten Halbjahr zu hoch.
Auch ein erfreulicher Sommer wird die gesamte Tourismusbilanz des Jahres 2021 laut WIFO nicht retten können – dafür waren die Verluste im ersten Halbjahr zu hoch.

Für das gesamte Jahr 2021 bleiben die Aussichten mit rund 12 Prozent weniger Nächtigungen als 2020 und einer um 43,5 Prozent geringeren Nachfrage als im Vorkrisenjahr 2019 trüb. Nachdem die Wintersaison von November 2020 bis April 2021 Lockdown-bedingt fast vollständig ausfiel (Ankünfte 92,7%, Nächtigungen 90,7%, Einnahmen nominell 90,6%, real 90,7%), dürfte sich der Tourismus in Österreich aktuellen Schätzungen des WIFO zufolge im Sommer 2021 erholen (Nächtigungen rund +22,5% gegenüber 2020 bzw. 16,5% im Vergleich zur Normalsaison 2019).


Mit Ausnahme von Reisenden zu Geschäfts- und Gesundheitszwecken waren Beherbergungsbetriebe in Österreich in der Wintersaison 2020/21 praktisch durchgehend mit behördlichen Betretungsverboten belegt. Die Nachfrage beschränkte sich somit auf ein sehr kleines Segment von Nächtigungsgästen abseits privater Urlauber. Im Burgenland sowie in Nieder- und Oberösterreich wurden Unterkünfte während des Lockdown jedoch auch von Arbeitskräften (zumeist aus dem Baugewerbe) und im Zuge von Sportveranstaltungen zu nichttouristischen Zwecken frequentiert, weshalb sich die Winterbilanz in diesen Bundesländern deutlich von jener der übrigen Regionen Österreichs unterschied.

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Bedeutung des Binnentourismus gewachsen

Von November 2020 bis April 2021 wurden in Österreich knapp 1,2 Mio. Ankünfte und rund 5,6 Mio. Übernachtungen ( 92,7% bzw. 90,7% gegenüber der bereits von der COVID-19-Krise überschatteten Wintersaison 2019/20) verzeichnet. Nachdem die Einbußen bei inländischen Gästen relativ schwächer als im internationalen Segment ausfielen (Ankünfte 81,4% zu 97,1%, Übernachtungen 69,3% zu 96,6%), nahm die Bedeutung des Binnentourismus gegenüber der Vorjahressaison markant zu (bei Ankünften von 28,0% auf 71,2%, bei Nächtigungen von 21,7% auf 71,3%).

Tourismuseinnahmen

Die nominellen Tourismuseinnahmen (einschließlich der Aufwendungen von Tagesreisenden sowie im Zuge des Besuchs von Verwandten und Bekannten) beliefen sich im Analysezeitraum ersten Schätzungen des WIFO zufolge auf 1,21 Mrd. € ( 90,6%, real 90,7%; ohne Berücksichtigung von Zahlungen der öffentlichen Hand im Rahmen der COVID-19-Hilfsmaßnahmen). Bei Bereinigung der Ist-Werte um Kalendereffekte (Schalttag, Lage der Osterwoche) ergeben sich über den gesamten Winter 2020/21 betrachtet kaum sichtbare Abweichungen.

Wien und Westösterreich am stärksten betroffen

In der internationalen Städtemetropole Wien und den wintersportorientierten Bundesländern Westösterreichs brach die Nachfrage im Winter 2020/21 gegenüber der Vorjahressaison fast vollständig ein, während Nieder- und Oberösterreich sowie das Burgenland aus den eingangs erwähnten Gründen (Geschäftsreisen, Kurtourismus) trotz Lockdown nennenswerte mengenmäßige und monetäre Niveaus erzielen konnten – in etwa die Hälfte (Niederösterreich) bzw. rund ein Drittel (Oberösterreich, Burgenland) der Übernachtungen insgesamt sowie der nominellen Einnahmen der Saison 2019/20.

Ausblick Sommersaison 2021

Aktuellen Einschätzungen des WIFO zum weiteren Jahresverlauf zufolge werden für die Sommersaison 2021 nach der Öffnung von Gastronomie und Beherbergung mit 19. Mai und weiteren schrittweisen Lockerungen ab 10. Juni sowie Erleichterungen im grenzüberschreitenden Reiseverkehr (vorwiegend innerhalb Europas) insgesamt um 22,5 Prozent mehr Übernachtungen als im Sommer 2020 erwartet, womit die Zahl der Nächtigungen rund 16,5 Prozent unter jener des Sommers 2019 liegen würde. Vor allem die erste Saisonhälfte (Mai bis Juli) dürfte ausgehend vom Vorkrisenniveau noch von spürbaren Einbußen geprägt sein (durchschnittlich -29%), während sich das Nächtigungsniveau von August bis Oktober dem Niveau des Jahres 2019 langsam nähern könnte (durchschnittlich -5%). Die Nachfrage internationaler Gäste dürfte im gesamten Sommerhalbjahr 2021 im Vergleich zur Saison 2019 um etwa ein Viertel auf 42,0 Mio. Nächtigungen zurückgehen, jene von Binnenreisenden mit rund 23,9 Mio. dagegen ein neues Höchstniveau erreichen (+2,5% gegenüber der bisherigen Rekordmarke von 2019); der Nächtigungsmarktanteil inländischer Touristen würde damit bei 36,2 Prozent liegen (nach 41,2% im Sommer 2020, Normalsaison 2019: 29,5%).

Insgesamt wird die Tourismusentwicklung im Sommer 2021 für den ländlichen Raum deutlich positiver als für die Städte und ihr Umland eingeschätzt – schon in der Saison 2020 profitierten hier vor allem Regionen mit traditionell hohem Anteil inländischer Gäste, topographischen Attributen wie Seen oder alpinen Landschaften sowie einer breiten Palette an Erholungs- und Aktivsportangeboten. Auf Ebene der Bundesländer dürften somit neuerlich das Burgenland, Kärnten und die Steiermark mit Nächtigungszugewinnen von insgesamt rund 7 – 8 Prozent im Vergleich zur Saison 2020 und nur marginalen Verlusten gegenüber der Saison 2019 (etwa 4% bis 6,5%) am erfolgreichsten abschneiden, während Wien von Mai bis Oktober 2021 im Schnitt noch um 46 Prozent unter dem Nächtigungsvolumen von 2019 verbleiben dürfte. In den übrigen Bundesländern werden die Einbußen zur Normalsaison schätzungsweise mit rund 11,5 – 18 Prozent beziffert.

Gesamtes Kalenderjahr 2021 noch problematisch

Für das Kalenderjahr 2021 sind die Aussichten deutlich trüber: Die Lücke auf den bisherigen Höchstwert von insgesamt 152,7 Mio. Nächtigungen (2019) dürfte sich auf etwa 66,4 Mio. ( 43½%) belaufen und das Niveau damit auch um etwa 12 Prozent unter jenem des Krisenjahres 2020 zu liegen kommen. Gründe hierfür sind vor allem die lange Schließdauer der Beherbergungsbetriebe (durchgehend von Jahresbeginn bis 18. Mai) sowie die nach wie vor zu einem beträchtlichen Teil fehlende Nachfrage aus dem Ausland ( 51,5% gegenüber 2019, 17,5% im Vorjahresvergleich). Eine Entspannung auf den internationalen Herkunftsmärkten kann für die Destination Österreich erst in der zweiten Jahreshälfte erwartet werden, die Zahl der Nächtigungen dürfte dann nur noch um rund 12 Prozent unter dem Vergleichsniveau 2019 liegen (1. Halbjahr 89%). Im Binnentourismus ist, wie bereits 2020, ab Juni mit einem höheren Nächtigungsvolumen als vor der Krise zu rechnen (bis Jahresende im Schnitt um knapp 9%), was im gesamten Kalenderjahr zusammen mit der stark rückläufigen Dynamik in den ersten fünf Monaten 2021 ( 72,5%) zu einer um gut ein Fünftel reduzierten Nachfrage gegenüber 2019 führen dürfte. Mit schätzungsweise rund 31,4 Mio. Nächtigungen wird jedoch erwartet, dass die heimische Nachfrage 2021 ein ähnliches Niveau wie 2020 ( 0,5%) erreicht und der Marktanteil inländischer Gäste auf 36,5 Prozent steigt (nach 32,3% im Jahr 2020 und 26,2% 2019).
Das Nächtigungsszenario des WIFO geht davon aus, dass im Herbst 2021 das Infektionsgeschehen nicht wieder eine Dynamik erreicht, die verschärfte Präventionsmaßnahmen und Einschränkungen der Geschäftstätigkeit von Tourismusunternehmen erfordern oder die Reiselust der Gäste neuerlich dämpfen würde. Eine massive Verschlechterung der epidemiologischen Situation in den Herbst- und Wintermonaten wird von den Experten zwar nicht erwartet, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Eine vollständige Erholung der österreichischen Tourismuswirtschaft und damit ein Anknüpfen an das Nächtigungsniveau 2019 wird kaum vor dem Jahr 2022 gelingen. Entscheidend wird dafür sein, ob sich die Nachfrage aus Fernmärkten wiederbelebt, zum anderen aber auch, wie schnell der erwartete permanente Rückgang der Geschäftsreisetätigkeit durch das Wachstum bei Urlaubsreisen kompensiert werden kann. Wird es also ländlichen Tourismusregionen relativ schnell gelingen, das Vorkrisenniveau bei Nächtigungen und Wertschöpfung zu erreichen, ist davon auszugehen, dass der Städtetourismus längere Zeit unter den pandemiebedingten Verwerfungen leiden wird.

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