Hartwig Kirner, Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, im GASTRO-Interview über neue Kooperationen, die Auswirkungen von Corona und das steigende Interesse der Gastronomie an Fairtrade-Produkten.
GASTRO: Hr. Kirner, Gratulation zum Deal mit Berglandmilch, die ab sofort nur noch Fairtrade-Kakao für ihre Produkte verwenden. Wie stark wird das Ihren Absatz in Österreich erhöhen?
Hartwig Kirner: Wir rechnen damit, dass sich der Absatz von Fairtrade-Kakao in den kommenden Jahren noch einmal verdoppeln wird. Denn neben der Berglandmilch setzen ab diesem Jahr auch die Marke Manner und Ölz der Meisterbäcker voll auf fair gehandelten Kakao. Das wird sich in der Menge ordentlich niederschlagen. Schon im Vorjahr hat sich Fairtrade-Kakao mit einem Wachstum von 54 Prozent gegenüber dem Vorjahr prächtig entwickelt.
Wie ist das Geschäftsjahr 2020 für Fairtrade in Österreich generell gelaufen? Die Annahme, dass es im Handel gut gelaufen ist und in der Gastronomie – freundlich ausgedrückt – eher weniger gut, braucht vermutlich keine hellseherischen Fähigkeiten.
Wir bilanzieren durchwegs positiv. Der geschätzte Umsatz mit Fairtrade-Produkten ist hierzulande noch einmal um 11 Prozent gestiegen. Im letzten Jahr wurden 390 Millionen Euro Umsatz von uns zertifiziert. Davon profitieren Kleinbauernfamilien und Beschäftigte in Afrika, Asien und Lateinamerika. Sie erhielten geschätzte Direkteinnahmen in der Höhe von 63,2 Millionen US-Dollar im Vorjahr. Es ist leider richtig, dass es in der Gastronomie 2020 mit all den Einschränkungen schlecht gelaufen ist. 2019 lag der Außer-Haus-Markt-Anteil von Kaffee und Heißgetränken noch bei 27 Prozent. Im Vorjahr waren es nur 18 Prozent. Trotzdem konnten im Vorjahr 25 neue Partner gewonnen werden, darunter auch das Backwerk, die Bäckerei Kloser und Dunkin‘ Donuts. Kolariks Luftburg im Wiener Prater setzt seit dem Vorjahr nicht nur auf Fairtrade-Produkte, sondern auch ausschließlich auf Bio und sind somit das größte Bio-Restaurant der Welt derzeit, was ein erfreulicher Rekord ist. Außerdem hatten wir bei Kaffee trotz der Gastroausfälle ein Wachstum von 10,5 Prozent, was zeigt: In der Krise haben die Österreicher ganz besonderen Wert auf Nachhaltigkeit bei ihren Lebensmitteln gelegt. Das wiederum sollte auch ein starkes Signal für die Gastronomie sein, das Thema Nachhaltigkeit stärker in den Fokus zu rücken.
Haben Sie Angst, dass nach der Krise besonders streng gerechnet wird und Fairtrade-Produkte eher als bisher unter „verzichtbaren Luxus“ fallen?
Das denken wir nicht. Aktuelle Umfragen zeigen, dass gerade durch die Krise noch mehr Wert auf nachhaltige Lebensmittel legen als davor. Drei von vier Befragten sagen, dass ihnen fair gehandelte Lebensmittel wichtig sind. Beim Angebot an nachhaltigen Lebensmitteln zu sparen würde bedeuten, den Rotstift an der falschen Stelle anzusetzen. Insofern bin ich sehr zuversichtlich auch für die kommenden Jahre.
Wie hat sich Corona auf die Herkunftsländer der Fairtrade-Produkte ausgewirkt? Kam es hier zu Problemen bei der Produktion bzw. hat die Pandemie die wirtschaftliche Situation der dortigen Bauern weiter verschlechtert?
Die Gesundheitskrise hat uns alle weltweit vor große Herausforderungen gestellt. Aktuell ist Indien sehr stark von Corona betroffen. In Mittelamerika gab es inmitten der Krise im vergangenen Jahr gleich zwei starke Tropenstürme, die zusätzlich schwere Schäden angerichtet haben. Allgemein erschweren die Schutzbestimmungen natürlich auch die alltägliche Arbeit in der Landwirtschaft. Fairtrade hat einen Krisenfonds in der Höhe von 15 Millionen Euro organisiert. Eine halbe Million Menschen in 900 Produzentenorganisationen aus rund 60 Ländern haben von Masken und Desinfektionsmitteln bis hin zu Aufklärungskampagnen und Trainings sowie Förderungen für Nahrungsmittelankäufe und vielem mehr profitiert. Aber die Situation ist in vielen Ländern nach wie vor kritisch.
Haben Sie ungefähre Zahlen, wie viele Gastrobetriebe in Österreich mit Fairtrade-Produkten arbeiten und wie sich diese Zahlen in den vergangenen Jahren entwickelt haben?
Mittlerweile werden Fairtrade-Produkte in mehr als 1.950 Restaurants, Cafés, Kantinen, Hotels und Bäckereien verwendet. Wie erwähnt sind die wichtigsten im Außer-Haus-Markt verwendeten Fairtrade-Produkte Kaffee und andere Heißgetränke. Aber beispielsweise auch Reis, den es mittlerweile in gastrofreundlichen 5 Kilogramm-Säcken gibt, wird immer wichtiger. Reis ist im Vorjahr auch Spitzenreiter beim Wachstum gewesen mit einem satten Plus von 68 Prozent. Weitere in der Gastronomie verwendete Fairtrade-Produkte sind Bananen, Säfte, Kokosmilch und vieles mehr.
Wie viele Fairtrade-Produkte haben Sie derzeit im Programm und wo kann ein Gastronom diese beziehen?
In den heimischen Regalen gibt es mittlerweile ca. 2.100 Fairtrade-Produkte zur Auswahl. Diese findet man in rund 5.000 Verkaufsstellen österreichweit, es gibt also eine gute Verfügbarkeit im ganzen Land. Auch so gut wie alle Cash & Carry-Märkte führen bereits zahlreiche Fairtrade-Produkte. Auf unserer Homepage fairtrade.at gibt es sowohl einen Produktfinder, wo man als Gastrobetrieb geeignete Lieferanten finden kann und einen Gastrofinder, in dem man als Konsument nach Fairtrade-Gastropartnern in der Nähe suchen kann.
Was sind aktuell Ihre umsatzstärksten Produkte in der Gastronomie?
Das ist nach wie vor der Kaffee. Das beliebteste Heißgetränk der Österreicher war das erste Fairtrade-Produkt, dass 1993 auf den Markt kam. Seitdem hat sich dieser Rohstoff hierzulande sehr gut entwickelt. Im Vorjahr wurden bereits mehr als 5.000 Tonnen Rohkaffee verarbeitet.
Sind Fairtrade-Produkte auch in der Spitzengastronomie ein Thema?
Durchaus. Um beim Beispiel Kaffee zu bleiben – den gibt es mittlerweile in allen Qualitätsstufen mit einem Bioanteil von mehr als 70 Prozent. Unter anderem ist Max Stiegl seit 2019 mit seinem Gut Purbach ein Gastropartner von uns. Im Vorjahr wurde er sogar als Koch des Jahres ausgezeichnet, was zeigt: Fairtrade und der Anspruch nach bester Qualität sind kein Widerspruch, sie ergänzen sich perfekt.
Wird es heuer wieder spezielle Promotion-Aktionen für die Gastronomie geben?
Wie jedes Jahr wird der Fokus auf den Tag des Kaffees am 1. Oktober gelegt. Wir rufen unsere Gastropartner auf, Ihre Gäste über Ihr Engagement zu informieren und appellieren an Gastronomen, auch auf Fairtrade-Kaffee und Co. umzustellen. Die Details dazu folgen in Kürze.
Bieten Sie Gastronomen eine Art von „Fairtrade-Siegel“ an, damit der Gast auch sieht, dass in dem betreffenden Lokal fair gehandelte Produkte verwendet werden?
Eine Gastropartnerschaft mit Fairtrade hat viele Vorteile und keine Kosten. Damit ist es beispielsweise erlaubt, das Fairtrade-Siegel in der Speisekarte für die jeweiligen Produkte aus fairem Handel zu verwenden. Wir stellen auch gerne Sticker, Tischaufsteller und Infomaterial kostenlos zur Verfügung. Einzige Voraussetzung dafür ist es, Fairtrade-Produkte zu verwenden, sich zu registrieren und damit einverstanden zu sein, dass stichprobenartig kontrolliert wird, ob tatsächlich fair gehandelte Lebensmittel zur Anwendung kommen. Der Aufwand dafür hält sich in Grenzen und bringt viele Vorteile.