„Durch Corona haben kleinere Hotels gewonnen“

Originale & Partner Zwei „Originale“: Reiner Heilmann (l.) und Josef Göbel
Zwei „Originale“: Reiner Heilmann (l.) und Josef Göbel

Reiner Heilmann war knapp 20 Jahre als Sacher-Direktor eine Institution in der Wiener Hotelbranche. Im vergangenen Jahr hat er sich mit seinem Partner Josef Göbel selbständig gemacht. Unter dem Namen „Originale & Partner“ bieten die beiden jetzt Hotels in Österreich, Deutschland und Südtirol ganzheitliche Beratung bei Themen wie Konzeption, Positionierung, Marketing, Arbeitsabläufen, aber auch bei Personal- oder Einrichtungsfragen. Mit Clemens Kriegelstein sprach Heilmann im GASTRO-Interview über den „Wow-Faktor“ in Hotels, den Trend zur Individualisierung und die Boom-Region Südtirol.

GASTRO: Bei Originale & Partner geht es um ganzheitliche Gastronomie- und Hotellerie-Konzepte. Hat die Pandemie den Trend zur Individualisierung und Inszenierung in diesen Bereichen verstärkt?
Reiner Heilmann: Davon bin ich absolut überzeugt! Die Tendenz dazu war ja schon vor Corona zu spüren, aber jetzt ist die Individualisierung noch wichtiger geworden. Der Fokus auf kleinere Häuser ist deutlich gewachsen. Man hat in den letzten zwei Jahren einfach gelernt, nicht dort hinzugehen, wo sich viele Menschen aufhalten. Es sind die typischen Boutiquehotels, die in der Pandemie gewonnen haben. Diejenigen Hotels, die sich verändern, verbessern wollten, haben diese Pläne jetzt vielleicht vorgezogen, u.U. wurde auch mehr verändert, als ursprünglich geplant. Ich denke, dass keiner unserer Kunden nur aufgrund von Corona aktiv geworden ist, aber dass manche durch Corona noch tiefer in die Sache eingetaucht sind.

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Hat Corona dafür gesorgt, dass viele Hotels ihr Konzept hinterfragt haben?
Auf jeden Fall. Das ist bei uns im privaten Bereich ja nicht anders: Wenn wir mehr Zeit haben, über Dinge nachzudenken, dann fällt einem plötzlich auf, dass man in der Wohnung oder im Garten wieder mal was tun sollte. Und viele haben jetzt auch in der Hotellerie begonnen, Dinge zu hinterfragen. Vereinzelt hatten manche vielleicht sogar schon zu viel Zeit nachzudenken.

Woher kommt eigentlich die Mehrzahl Ihrer Kunden? Stadt- oder Ferienhotellerie?
Etwa ein Drittel Stadt-, zwei Drittel Ferienhotellerie würde ich schätzen. Das sind alles eigentümergeführte Häuser, keine Kettenhotels und wir sprechen da jeweils mit den Inhabern bzw. Direktoren.

Worauf legen denn Gäste in der gehobenen Ferienhotellerie heute wert? Was muss ein Boutiquehotel der 4-5-Sterne-Kategorie heute bieten was über gute Architektur und klassische Dienstleistung hinausgeht?
Also Architektur ist ein Grund, warum ein Gast vielleicht einmal kommt, aber zum Stammgast wird er nur wegen der Dienstleistung, egal wie toll die Architektur ist. Entscheidend ist, wie ein Gast abgeholt, wie er „gewowt“, wie er positiv überrascht wird und wie man ihn zum Wiederkommen motiviert. Daran wird sich auch so bald nichts ändern. Hardware ist toll und sicherlich wichtig, aber wenn die Software, die Dienstleistung nicht stimmt, dann nützt die schönste Architektur nichts. Es gibt möglicherweise Dinge, die lassen sich nicht ändern, etwa weil das Haus so ist, wie es ist, aber man kann dafür vielleicht einen anderen Bereich optimieren.

Zu den wichtigsten Dingen gehört für mich auch der Wohlfühlfaktor: Du gehst in ein Restaurant und sagst „wow, super“. Und am nächsten Tag gehst du in ein anderes Restaurant. Die machen zwar alles richtig, das Essen ist gut, der Kellner ist freundlich, das Besteck liegt richtig – aber irgendwie passt es trotzdem nicht für dich, obwohl du es nicht erklären kannst. Da geht es um Emotionen, um das Zwischenmenschliche, um die richtige Ansprache. Jeder weiß, wie wichtig die richtige Stimmung ist, der schon mal einen Wein aus dem Urlaub mitgenommen hat und zu Hause hat der lange nicht so gut geschmeckt wie eben im Urlaub, wo man entspannt ist, mit Freunden feiert, aufs Meer schaut oder was auch immer.

Nachdem Sie auch in Südtirol Projekte betreuen: Wie stellen sich die Strukturen in der Ferienhotellerie dort dar? Aus eigener Erfahrung würde ich die touristische Infrastruktur dort höher als in weiten anderen Teilen Italiens einschätzen.
Das stimmt, das war aber immer schon so, dass gewisse Regionen in Italien eine gewisse Substanz haben, von der sie zehren und nur bedingt investieren. Südtirol tickt da anders. Die sind dort unglaublich dynamisch, gerade am Spa- und Wellnessbereich. Die Betriebe dort sind wirklich nicht zu unterschätzen – gerade in dem gleichen Segment, in dem ja auch die angrenzenden Regionen Österreichs aktiv sind. In Südtirol ist die Dichte von tollen Betrieben schon sehr hoch, die sind unglaublich engagiert und versuchen sich ständig weiterzuentwickeln. Ich weiß von vielen Ex-Kollegen aus der Hotellerie, dass die sich immer Häuser in Südtirol ansehen, wenn sie neue Ideen brauchen, wenn sie wissen wollen, was sich neu am Markt tut. Damit da jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Natürlich haben wir in Österreich auch ganz tolle Betriebe, aber wir sind eben nicht alleine damit in der Region.

Apropos Region: Themen wie Regionalität und Saisonalität sind seit langem schon Dauerbrenner in der Gastronomie. In der Hotellerie auch?
Naja Regionalität sicher irgendwie über die Ausstattung, aber der Schwerpunkt liegt hier in den Hotels natürlich auch im Bereich der Gastronomie, wo Regionalität und Saisonalität auch immer wichtiger werden. Halt mit der Einschränkung, dass es nicht ganz einfach ist, einem Gast, der gerade eine schöne Summe für seine Suite zahlt und der plötzlich Lust auf eine Ananas oder Erdbeeren hat, dem zu sagen „lieber Gast, sorry, aber die haben erst in zwei Monaten wieder Saison bei uns“. Das wird nicht jeder verstehen. Aber es ist ein Prozess, bei dem wir jetzt darüber nachdenken – und auch nachdenken müssen – wo unsere Ressourcen sind, ob wirklich alles von A nach B geflogen werden muss.

Wie ist denn derzeit die Stimmung bei Ihren Ex-Kollegen aus der Stadthotellerie? Sieht man Licht am Ende des Tunnels oder ist mit dem Ukraine-Krieg wieder alles düster?
Naja puncto Corona war tatsächlich langsam Licht am Ende des Tunnels zu sehen. Gerade in Richtung Frühling, Frühsommer war der Ausblick wieder positiv, die Vorbuchungen waren wieder sehr positiv. Aber der Krieg jetzt hat die Karten wieder neu gemischt. Keiner weiß, wie es weitergeht, Russland und Ukraine als Markt fallen jetzt natürlich weg, aber was ist mit den USA? Kann man dort zwischen Russland/Ukraine und der EU unterscheiden? Da gibt es einige Fragezeichen für die nächste Zeit. Aber was trotzdem positiv ist: Man spürt bei den Leuten ein riesiges Bedürfnis, endlich Urlaub machen zu können. Das ist ganz stark ausgeprägt, die Leute wollen weg! Ich denke also schon, dass es wieder bergauf geht und natürlich kann man nur inständig hoffen, dass der Krieg bald ein Ende hat.

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