Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) sprach mit GASTRO über die Öffnungsperspektive der heimischen Hotellerie, die Unsicherheit unter den Wiener Kollegen und die Hoffnungen für die kommende Sommersaison.
Am 19. Mai solls ja jetzt endlich losgehen – nur in Wien ist derzeit noch alles unsicher. Können Sie das Zögern des Bürgermeisters in Wien nachvollziehen?
Ich tue mir damit ein wenig schwer. Ich habe prinzipiell für alles Verständnis und auch dass man Entscheidungen treffen muss, aber sowohl die Unternehmer wie auch die Mitarbeiter hängen derzeit einfach in der Luft. Alle haben sich gefreut, dass es losgeht und jetzt sitzen wir wieder da. Außerdem brauche ich ja eine Vorlaufzeit, um ein Hotel aufzusperren. Es genügt nicht, den Schlüssel umzudrehen, ich muss Ware einkaufen, ich muss meine Zimmer verkaufen können, ich muss ja wissen, ab wann ich um Gäste werben, sie einbuchen kann, die Mitarbeiter müssen bereitstehen, etc. Also uns ist jeder Tag früher lieber, an dem wir wissen, dass wir aufsperren können. Alle anderen Hotels in Österreich wissen das ja auch, nur in Wien ist es schon wieder ein Theater.
Wie könnte eine sichere Öffnung aussehen? Gibt es hier schon ganz konkrete Vorschriften, welche Art von Tests wann für wen zulässig sind?
Das ist leider noch nicht ganz fixiert. Wir sind jetzt gerade dabei, solche Fragen auch im Namen unserer Mitglieder mit dem Gesundheitsministerium abzuklären. Wir hoffen, dass die Zeiten vorbei sind, wo wir solche Infos in letzter Sekunde bekommen haben. Also wir wissen etwa bis heute nicht, welche Art von Tests für Mitarbeiter oder auch Gäste zulässig sind, ob hier ein Vier-Augen-Prinzip genügt oder nicht. Das ist für uns natürlich auch eine entscheidende Frage. Wobei prinzipiell die Pflicht beim Gast liegen wird, seine Genesung, Impfung oder ein aktuelles, negatives Testergebnis nachzuweisen. Das soll ja mit dem Grünen Pass vereinheitlicht und erleichtert werden.
Sind Frühstücksbuffets denkbar und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen?
Diese Frage ist auch noch offen, aber wie es im Moment aussieht, werden Frühstücksbuffets möglich sein. Da möchte ich noch nicht vorgreifen. Bis jetzt wurden Buffets aber von offizieller Seite nicht in Frage gestellt. Bis jetzt heißt es nur, dass ein Gast eine FFP2-Maske zu tragen hat, sobald er von seinem Platz aufsteht. Ob der jetzt auf die Toilette geht oder sich beim Buffet noch einen Nachschlag holt, sollte nicht wirklich relevant sein.
Wie weit hat sich der Mitarbeitermangel, unter dem die Branche ohnehin permanent leidet, durch den langen Lockdown und damit zusätzliche Personalabgänge in andere Branchen, weiter verschärft?
Das ist leider ein großes Thema. Ich hoffe aber, dass es unseren Kollegen gelingt, ihre Leute wieder zurückzuholen mit der konkreten Ansage, dass jetzt aufgesperrt wird. Die sind ja vielleicht nur abgegangen, weil sie nicht wussten, wie lange der Lockdown in der Hotellerie dauert. Vielleicht sind sie auch draufgekommen, dass die Arbeit in anderen Branchen vielleicht auch nicht so lustig ist. Ein gewisses Problem werden auch die Saisonniers sein, weil die Politik aufgrund der vielen Arbeitslosen darauf drängt, offene Stellen lieber mit einheimischen Arbeitslosen zu besetzen. Hier ist Arbeitsminister Kocher gerade dabei, eine Lösung auszuarbeiten. Aber natürlich wäre vielen Kollegen aus der Branche ein Stammsaisonnier, der schon mehrmals im Betrieb gearbeitet hat lieber, als ein komplett neuer Mitarbeiter, den man erst wieder frisch einschulen muss. Allerdings muss das Problem rasch geklärt werden, denn uns wird langsam die Zeit knapp, wenn wir in drei Wochen aufsperren sollen.
Wie sieht denn Ihr Best- und Worst-Case-Szenario für die kommende Sommersaison aus?
Best-Case würde ich sagen, es wird ein Sommer wie letztes Jahr, worauf derzeit einiges hindeutet, etwa der Fortschritt, den es aktuell bei den Impfungen gibt. Stichtag dafür wird der 1. Juli sein, aber man sieht ja, wie gut das ganze jetzt schon funktioniert. Wenn irgendwas passiert und wir wieder zusperren müssen, wäre das natürlich eine Katastrophe, aber davon gehen wir in der ÖHV jetzt nicht aus.
Gibt es Prognosen, wie viele Hotels die Pandemie nicht überleben werden? In der Gastronomie sind ja Zahlen von bis zu 30 Prozent herumgegeistert und das war schon vor einem halben Jahr.
Ich denke, das Thema wird erst dann schlagend, wenn die Entschädigungen auslaufen. Erst Ende 2022 wird man tatsächlich das Ausmaß des Schadens sehen und auch, wie es weitergehen kann. Es gibt auch sicherlich Unterschiede zwischen der Stadt- und der Ferienhotellerie und da auch wieder zwischen Ein- und Mehr-Saisonen-Betrieben. In den großen Häusern in Wien könnte man etwa die zwei oberen Stockwerke als Wohnungen verkaufen und das Hotel kann weiterbestehen. Gerade im Städtetourismus werden wir noch lange nicht an die Zeit vor der Pandemie anknüpfen können. In der Ferienhotellerie etwa geht es den reinen Sommerbetrieben auch nicht schlecht. Die Zwei-Saisonen-Betriebe, die keinen Winter hatten, für die schaut es natürlich nicht so toll aus. Auch die Seminarhotels hängen ziemlich in den Seilen. Bei denen ist ja jetzt auch schon seit fast 14 Monaten Flaute, mit Ausnahme von vielleicht kurzen Ausreißern im letzten Herbst. Und einige Appartementhäuser werden vielleicht die Einheiten zumindest mittelfristig zu Wohnungen umfunktionieren und diese vermieten.
Wird es dadurch zu einer Marktbereinigung kommen oder werden die Häuser, die es nicht schaffen, großteils unter neuer Führung weitergeführt werden?
Gerade bei den Ferienhotels gibt es jetzt schon den einen oder anderen Besitzerwechsel. Da wird das Hotel vielleicht ein wenig umgebaut, aber danach öffnet es meist unter dem gleichen Namen wieder, vielleicht sogar mit den gleichen Mitarbeitern, aber halt mit anderem Besitzer. In den Städten wird man vielleicht die Kapazitäten im Zimmerangebot etwas reduzieren. Aber da stehen letztlich etwa die Kettenhotels weltweit vor dem gleichen Problem.
Rechnen Sie nach dem Wiederaufsperren mit einem Preiskampf in der Hotellerie bzw. wie lässt sich ein solcher verhindern?
Ich fürchte einen solchen, aber ich appelliere an alle Kollegen, einen solchen zu unterlassen, denn das wäre die nächste Todesspirale. Wenn du bis jetzt nicht tot bist, bist du es nachher. Denn die laufenden Kosten werden ja nicht weniger. Warum also soll ich jetzt billiger werden. Und wenn die einzige Geschichte, die ich als Hotelier erzählen kann, der Preis ist, dann werde ich auf jeden Fall verlieren, denn es wird immer jemanden geben, der nicht unbedingt günstiger, sondern einfach billiger ist als ich. Also das macht keinen Sinn!
Interview: Clemens Kriegelstein