Ikarus im Höhenflug

Viele Köche verderben der Brei? Das dürfte zumindest nicht für das Salzburger Konzept-Restaurant Ikarus samt Executive Chef Martin Klein gelten, die im aktuellen Guide Gault-Millau mit der fünften Haube in den heimischen Gourmet-Olymp gehoben wurden.

Es war angerichtet: Der Disput zwischen dem damaligen Executive Chef des Restaurants Ikarus, Roland Trettl, und Gault-Millau-Herausgeber Karl Hohenlohe hat lange genug für Gesprächsstoff und Spannung innerhalb der Szene gesorgt: Man könne ein Lokal nicht seriös beurteilen, dessen Konzept sich im Monatsrhythmus ändert, meinte Hohenlohe und sah sich anfangs außerstande, dem Ikarus überhaupt eine Bewertung zu geben. Dieser sei offensichtlich nicht in der Lage, das Konzept überhaupt zu verstehen, ließ Trettl im Gegenzug dem Gault-Millau- Chef ausrichten.

Und das war noch eine seiner freundlicheren Wortmeldungen. Doch das ist alles Schnee von gestern. Nicht nur, dass Trettl und Hohenlohe inzwischen schon lange das Kriegsbeil begraben haben, auch der Gault-Millau hat mittlerweile das Restaurant sehr wohl mit Punkten und Hauben versehen – und seit heuer darf sich das Team um Trettl-Nachfolger Martin Klein sogar über die Höchstnote mit fünf Hauben freuen. „Das war schon eine riesige Sache für uns. Wir haben so viel Anerkennung und Wertschätzung bekommen – deutlich mehr als etwa beim zweiten Michelin-Stern“, freut sich der gebürtige Elsässer, der seit 2014 als Executive Chef für den Ikarus-Erfolg verantwortlich zeichnet.

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„Mehr Gäste wird uns die fünfte Haube wahrscheinlich nicht bringen, aber wir waren ja vorher auch schon sehr gut gebucht. Für die Mitarbeiter ist es aber noch mehr Ansporn und auch ich kann jetzt beim Team noch strengere Maßstäbe anlegen. Ein ‚normal guter Mitarbeiter’ ist eben für ein 5-Hauben-Restaurant nicht gut genug. Und die Gefahr ist auch geringer geworden, dass ein Mitarbeiter weggeht, weil er noch weiter hinauf, eben in ein 5-Hauben-Lokal wechseln möchte.“

Gastköche aus aller Welt

Über das prinzipielle Ikarus-Konzept braucht man sich hier nicht weiter auszulassen, es darf als bekannt vorausgesetzt werden. Daher nur in aller Kürze: Jedes Monat wird das Menü eines speziellen Gastkochs angeboten. Dazu wird dieser von Martin Klein kontaktiert, er bekommt eine Einladung, in der das Ikarus samt der Idee dahinter vorgestellt wird. Danach reisen Klein und sein Team zum Gastkoch, schauen sich alles an, besprechen das Menü und legen eine Schritt-für-Schritt-Arbeitsmappe an.

Anschließend kommt der Gastkoch für ein paar Tage nach Salzburg, schult die Ikarus-Mitarbeiter auf seine Techniken und Besonderheiten ein und danach sind Martin Klein, die Küchenchefs Martin Ebert und Tommy Eder-Dananic sowie das restliche Küchenteam für den Rest des Monats für die perfekte Ausführung der Gerichte verantwortlich. Wohlgemerkt, auch Martin Klein selber ist nicht nur als Manager aktiv, sondern steht nach wie vor täglich in der Küche und „schält notfalls auch noch selbst die Kartoffeln“, wie er schmunzelnd anmerkt.

„Ich lege immer noch selbst Hand an, kontrolliere die Menübestellungen, mache den Pass, oder rühre eine Sauce an.“ Wer übrigens auch noch jeden Monatsanfang nach dem Rechten sieht, ist Eckart Witzigman, der noch immer als Patron im Ikarus fungiert und der das Konzept mit den Gastköche ja ursprünglich mit Ikarus-Eigner Dietrich Mateschitz entwickelt hat. Allerdings hat Klein bei seinem Werken inzwischen mehr oder weniger freie Hand, auch bei der Auswahl der Köche. In das Tagesgeschäft mischt sich der „Jahrhundertkoch“ nicht mehr ein. Weil aber ein Top-Menü, das noch dazu vielleicht vom anderen Ende der Welt stammt, offensichtlich zu wenig Herausforderung ist, wird neben dem Gastmenü jedes Monat auch ein hauseigenes Ikarus- sowie ein vegetarisches Menü angeboten.

Immerhin, etwa jeder fünfte Gast greift im Schnitt schon zur fleischlosen Speisefolge, wie Klein erklärt. Die Besonderheit: Abgesehen von der vegetarischen Variante können die Menüs nur tischweise bestellt werden. „Wir wollen mit unserer hauseigenen Speisenfolge nicht in Konkurrenz zum Gastkoch treten. Der eine serviert Langostinos, der zweite bretonischen Hummer, der eine Filetsteak, der andere Wagyu-Beef – das ist nicht der Sinn dahinter. Die Gäste sollen sich auf jeweils ein Gericht konzentrieren und nicht herumkosten und vergleichen. Das bringt sonst auch eine gewisse Unstimmigkeit auf den Tisch.“

Wobei man schon flexibel ist und wenn eine Zutat in einem Gang dem Gast nicht zusagt, ist es natürlich möglich, stattdessen das jeweilige Gericht des Alternativ-Menüs zu genießen. Unterschiedliche Menüs seien außerdem für die Weinbegleitung schwierig. „Aber am liebsten wäre es uns ohnehin, wenn die Leute zweimal im Monat kommen und einmal das eine und einmal das andere Menü probieren“, lacht Klein. (Aktueller Gastkoch im Februar ist übrigens Yannick Franques vom Pariser Sternerestaurant „Tour d‘Argent“.)

Der Hangar 7 ist dem Tragflächenprofil eines Flugzeugs nachempfunden.

Die Wörter „Corona“ und „Planung“ passen nicht zusammen

Das Lachen vergeht Klein aber schnell wieder, wenn man das Thema „Corona“ anschneidet. Sind Lockdowns und frühe Sperrstunden schon für klassische Restaurants eine oft kaum zu stemmende Herausforderung, wird die Sache bei einem monatlichen Gastkoch, der in der Regel aus dem Ausland kommt und wo eine gewisse Vorlaufzeit unerlässlich ist, richtig mühsam. „Planung und Corona sind zwei Worte, die nicht zusammenpassen“, so Klein. Zumal ja nicht nur die jeweilige Situation in Österreich ausschlaggebend sei, auch Lockdowns oder Einreisesperren in den jeweiligen Heimatländern der Gastköche können plötzlich zu unüberwindbaren Hindernissen werden.

Dazu reist Klein ja nie alleine, sondern immer mit einer ganzen TV-Crew im Schlepptau. Schließlich soll ja von jedem Gastkoch auch ein ausführliches Fernseh-Portrait im Mateschitz-Sender Servus-TV gebracht werden. Klein: „Da kann ich eben nicht mal kurzfristig den Flug von heute auf übermorgen umdisponieren. Die warten nicht alle auf mich.“ Vergleichsweise wenig Probleme hat Klein indes erstaunlicherweise mit der aktuellen 22-Uhr-Sperrstunde: „Die Gäste wissen das, stellen sich darauf ein und beginnen den Abend entsprechend früher. Also 22 Uhr ist vielleicht etwas früh, aber mit 23 Uhr hätte ich gar keine Probleme.

Vielleicht ist das sogar die Zukunft der Gastronomie. Das hätte für meine Mitarbeiter auch den Vorteil, dass sie beizeiten wieder zu Hause wären und nicht erst um halb zwei in der Früh, weil sich ein Gast zum Dessert noch eine Flasche Wein bestellt hat. International ist das ja auch kein Thema: Wenn man in New York einen Tisch reserviert, hat man einen Slot von maximal drei Stunden, danach warten schon die nächsten Gäste. Und selbst wenn man gerade eine Flasche Pétrus um mehrere tausend Dollar bestellt hat, kann man die dann nur mehr an der Bar fertigtrinken.“

225 Euro als Schmerzgrenze

Preislich versucht man im Ikarus die Schmerzgrenze von 225 Euro für – inkl. aller Küchengrüße und Zwischengänge – zwölf Gänge nicht zu überschreiten. Das sei zwar etwas mehr als in der Vergangenheit, aber kein 5-Hauben- Zuschlag und auch kein Versuch, den Gewinn zu erhöhen, sondern einzig den generell extrem gestiegenen Ein kaufspreisen geschuldet. Querbeet sei in den letzten Monaten praktisch alles um durchschnittlich 15 Prozent teurer geworden. „Die gleiche Gemüsebestellung, die vor einem Jahr noch 15.000 Euro im Monat gekostet hat, kostet jetzt 18.000 Euro. Das sind also 3000 Euro monatlich alleine beim Gemüse, die ich wieder hereinbringen muss und dann gibt es ja noch ein paar andere Warengruppen“, klagt Klein. Außerdem sei man damit im internationalen Vergleich noch immer äußerst moderat unterwegs. Vergleichbare Menüs seien im Ausland kaum unter 300 – 400 Euro zu haben.

Auch bei der regulären Weinbegleitung ist man mit rund 180 Euro schon längst nicht mehr in der Okkasions- Klasse angesiedelt, aber dafür bekämen die Gäste auch sehr hochwertige Weine serviert. Da sind dann eben keine Orangeweine um zehn Euro dabei, sondern da könne eine Flasche im Einkauf auch schon mal über 100 Euro kosten. Klein: „Das wissen die Gäste auch, daher bestellen rund 80 Prozent bei uns auch die Weinbegleitung zum Menü. Mit dieser Quote sind wir ziemlich einsame Spitze.“

Wer im ersten Stock an der Galerie speist, hat freien Blick auf spektakuläre fahrende wie fliegende Exponate im Erdgeschoß.

Affenhirn und Meerschweinchen

In der Regel professionell gestaltet sich indes die Zusammenarbeit mit den anderen Größen ihrer Zunft, zum Culture- Clash kommt es nur selten. Einmal habe ein Koch aus Macau Affenhirn auf die Karte setzen wollen, da war die Grenze natürlich überschritten. „Aber das wusste der auch, das war schon als Provokation gedacht“, erinnert sich Klein. Und einmal wollte ein peruanischer Koch sein landestypisches Nationalgericht vorschlagen: Meerschweinchen. Die Idee musste leider auch verworfen werden.

„Weniger, weil das bei uns niemand essen würde, aber wo soll ich die Dinger denn regelmäßig frisch herbekommen? Ich kann ja schlecht jeden zweiten Tag in die Tierhandlung gehen und 20 Meerschweinchen kaufen“, lacht der 45-jährige Spitzenkoch. Dass sich irgendein Kollege vielleicht mal als Diva erweist, könne schon vorkommen, aber da müsse man eben durch. Das sei Part of the Game. Aber generell würde man schon auf Augenhöhe kommunizieren und wenn Klein das Gefühl hat, dass ein Gericht beim heimischen Publikum vermutlich keinen großen Andrang fände, dann kommuniziert er das auch und dann wird der Tipp meist auch dankbar angenommen.

So wie es überhaupt auch zu Kleins Aufgaben gehört, ein potentielles Gastmenü auf generelle Machbarkeit, Produktverfügbarkeit und letztlich auch Finanzierbarkeit abzuchecken. Und apropos Finanzierbarkeit: Gerade in Zeiten wie diesen ist es sicherlich kein Fehler, wenn hinter der Idee jemand wie Dietrich Mateschitz steht, der auch in Lockdown-Zeiten alle Mitarbeiter weiterhin voll bezahlt hat, der im letzten Jahr sogar allen jungen Kollegen eine Gehaltserhöhung spendiert hat und der so die Motivation bei allen aufrecht erhalten hat.

Groß Geld mit dem Restaurant zu verdienen, sei ohnehin nie geplant gewesen, erklärt Klein. „Wenn die Kollegen und vor allem die Gäste anerkennen, was hier in Salzburg passiert, wie einzigartig dieses Konzept ist, wenn der Gast nach Hause geht und einen außergewöhnlichen Abend hatte und wenn auch der Mitarbeiter hier eine besondere Zeit erlebt, dann haben wir alles richtig gemacht und dann färbt das auch positiv auf Dietrich Mateschitz und die Marke Red Bull ab“, meint Martin Klein abschließend.

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