Sauer macht lustig

Die schon länger prophezeite Renaissance der Sauerbiere in Österreich lässt nach wie vor auf sich warten. Daher empfiehlt sich ein Blick über die Landesgrenzen.

Österreich ist ein Land der Biertrinker und der Brauereien. Sowohl beim Konsum wie auch bei der Anzahl der Brauereien pro Kopf gibt es nur wenige Länder, die mit uns mithalten können. Was indes in Österreich leider ein wenig fehlt, ist die Biervielfalt. Gut zwei von drei getrunkenen Krügeln sind untergärige Märzenbiere, verwandte Sorten wie Pils oder Bock führen schon ein ziemliches Mauerblümchendasein und die einzige obergärige Sorte von Relevanz – das Weizenbier – wird in Wahrheit außer in den Skigebieten hauptsächlich in Oberösterreich, Salzburg und Tirol in der Nähe zur Bayrischen Grenze getrunken. Und bei den gehypten Craftbiere sind gefühlt 90 Prozent davon IPAs.

Doch nicht mehr ganz spontan

Doch wer den Blick über die Landesgrenzen schweifen lässt, dem erschließen sich etwa in Belgien oder Deutschland traditionelle Sorten, die erst beweisen, wie ungeheuer vielfältig sich die Aromatik von Bier präsentieren kann – und dass speziell Sauerbiere hierzulande geradezu sträflich unterrepräsentiert sind. Einer der spannendsten Bierstile ist dabei sicherlich das Lambic aus Belgien. Das Besondere daran: Lambic ist weder ein unter- noch ein obergäriges Bier, sondern ein spontanvergorenes, d.h. die Würze wird nach dem Kochen in offenen Schiffen gelagert und so mit den wilden Hefen der Umgebungsluft „infiziert“. Wobei: Eine echte Spontangärung (die der Ursprung aller alkoholischen Getränke auf Erden war) tun sich heute die wenigsten Brauereien mehr an. Zu unvorhersehbar ist das jeweilige Ergebnis, weshalb heute meist mit eigenen Lambic-Microbenmischungen gearbeitet wird.

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Das Ergebnis sind Biere mit oft geringem Alkoholgehalt und einem eher gewöhnungsbedürftigen Geschmacksprofil, bei dem vor allem die markante Säure heraussticht. (Wer ein Lambic zum ersten Mal probiert, könnte schon mal fragen, ob das so gehört, oder ob das Bier verdorben ist.) Dazu kommen Noten nach Holz, Heu, Apfel oder Zitrusfrüchten. Ein großartiges Aperitifoder auch Digestifbier, außerdem sehr erfrischend an heißen Sommertagen – aber eben durchaus gewöhnungsbedürftig. Man liebt es oder man hasst es. Ein „eh ganz ok“ gibt es bei diesem Bierstil praktisch nicht. Deutlich zugänglicher zeigen sich da schon diverse Varianten, zu denen ein Lambic weiterverarbeitet werden kann, allen voran Fruchtbiere, bei denen Früchte mitvergoren werden. Am bekanntesten sicherlich das Kriek (mit speziellen Sauerkirschen), Framboise (Himbeeren) oder Pêche (Pfirsich). Durch die Bank hervorragende Begleiter zu (Schokoladen-)Desserts. Weitere bekannte Spielarten des Lambics wären das Faro (mit Kandiszucker) oder ein Geuze, bei dem junge mit älteren, fassgereiften Lambics verschnitten werden, wodurch sich ein sehr komplexer Geschmack ergibt, nach wie vor mit markanter Säure, einem Apfelwein nicht unähnlich. Interessante Lambics stellen etwa Brauereien wie „Boon“, „Lindemans“ oder „Mort Subite“ her.

Mit oder ohne Schuss

Eine andere Spielart von leichten Sauerbieren stellt die Berliner Weiße dar, ein ebenfalls traditionelles obergäriges Bier aus dem Raum Berlin aus Weizen- und Gerstenmalz mit meist nur etwa 3-4 Vol. % Alkohol. Das Ergebnis ist ebenfalls erfrischend- säuerlich und erinnert an Cidre. Um die Säure abzupuffern wird die Berliner Weiße auch gerne „mit Schuss“ serviert, als rote oder grüne Variante, also entweder mit einem Schuss Himbeer- oder Waldmeistersirup. Beide Varianten werden inzwischen aber von den Brauereien auch schon selbst abgefüllt. Bekannte Berliner-Weiße-Brauereien wären etwa „Berliner Kindl“, „Lemke“ oder auch „Schneeeule“.

Berliner Weiße ist ein bei uns leider kaum bekanntes, leichtes Sauerbier.
Berliner Weiße ist ein bei uns leider kaum bekanntes, leichtes Sauerbier.

In Österreich sind Sauerbiere leider eine winzige Nische in der ohnehin sehr kleinen Kraftbier-Nische. Die etablierten Brauereien trauen sich über diesen Biertyp kaum drüber, Kleinbrauereien versuchen sich mal am einen oder anderen Sud. Einer, der solch ein Bier zumindest aktuell im Portfolio hat, ist Jakob Marn, Braumeister bei „Noom Wild Ales“ im steirischen Riegersburg. „Bier-Wein-Hybrid“ nennt sich hier die Spezialität, bei der ein Bier aus je 1/3 Bio-Pilsnermalz, Bio-Weizenmalz und Bio-Weizen (unvermälzt) mit einem spontanvergorenen Orangewein aus der Sorte Muscaris verschnitten wird. Der gemeinsame Ausbau fand dann in einem ehemaligen Rotweinfass für 10 Monate statt. Zur Nachgärung wird eine Brettanomyces Hefe verwendet. Das Resultat hat 6,4 Vol. % Alkohol und ist markant sauer, fruchtig und weinig.

„Balsamessig“-Bier

Zum Abschluss noch einmal zurück nach Belgien zur Brauerei Rodenbach, die mit dem Rodenbach Grand Cru eines der Lieblingsbiere des Autors produziert. Das Rodenbach Grand Cru ist ein rotes Ale, bei dem 1/3 junges Bier mit 2/3 holzfassgereiftem Bier verschnitten wird. Das Ergebnis ist komplex-fruchtig, mit Holz- und Vanillenoten und einer deutlichen Säure, einem Balsamessig nicht unähnlich – ein traumhaftes Bier zum Abschluss eines großen Menüs.

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