Die Arbeitsbedingungen für Kellner, Köche oder auch für Hotelmitarbeiter sind auf vielfache Weise herausfordernd: Körperliche Belastung geht mit Dienst am Kunden unter Zeitdruck einher. Das zeigt auch eine Studie der chinesischen Southern Medical University, die den Beruf des Kellners als stressigsten Job vor allen anderen Berufsgruppen ermittelt hat. Nicht selten bietet dieser Hintergrund die Basis für Spannungen innerhalb eines Teams.
GASTRO Portal sprach mit Dr. Roman Braun, Psychologe und Führungskräfte-Coach, über den Umgang mit Konflikten, die Möglichkeiten, stressige Situationen im Arbeitsalltag abzufedern, und das Potenzial von teamfördernden Maßnahmen, auch in kleineren Betrieben. Das Interview erscheint in zwei Teilen. Der erste Teil des Interviews kann hier nachgelesen werden.
GASTRO Portal: In der Gastronomie und Hotellerie sind hierarchische Führungsstile gang und gäbe. Sind diese Ihrer Meinung nach in der Branche unumgänglich, oder schlagen Sie Alternativen vor?
Dr. Roman Braun, Psychologe und Führungskräfte-Coach: Wie in den meisten Situationen lässt sich hier keine pauschale Antwort geben. Bei einer flachen Hierarchie ist viel Eigeninitiative gefordert, und die Mitarbeiter haben mehr Entscheidungsmacht. Das bringt oft einen richtigen Motivations-Boost mit sich. Gleichzeitig sehe ich gerade in so arbeitsreichen Branchen wie die der Gastronomie die hierarchische Führung als sinnvoll an: Denn gerade diese Vorteile der flachen Hierarchie bringen auch Risiken mit sich. Gibt es nur wenige Hierarchieebenen, wird absolute Selbstständigkeit und Eigeninitiative vorausgesetzt. Jeder muss Allgemeinexperte sein. Das führt einerseits zur Überforderung der einzelnen Mitarbeiter, anderseits zu unnötigen Mehrfachabstimmungen und bedeutet im Endeffekt noch mehr Stress. Der Vorteil der hierarchischen Struktur ist, dass Verantwortungsbereiche klar verteilt sind. Das reduziert Komplexität und nimmt den Druck – und der ist gerade in der Gastronomie besonders hoch.
Nicht jede Führungskraft ist auch imstande, sich als Führungskraft zu positionieren. Kann man den Spieß auch umdrehen und schwierige Vorgesetzte führen?
Das ist abhängig von der Qualifikation des Mitarbeitenden. Wenn die Fähigkeiten mit der Aufgabe zusammenpassen, dann kann man das Team auch gut als Teammitglied in die richtige Richtung lenken, insofern der Vorgesetzte das zulässt. Tut er es nicht und schreit etwa mit rotem Gesicht seine Mitarbeitenden an, dann wäre es für ihn an der Zeit, seine Position zu überdenken. Er mag nach außen hin vielleicht autoritär wirken – in Wirklichkeit ist das aber ein klares Zeichen von Verzweiflung.
„Führungskraft sollte Arbeitsklima im Auge behalten“
Wenn es im hektischen Berufsalltag hart auf hart geht: Wie gehe ich als Führungsperson mit offenen Konflikten um, und wie gehe ich mit verdeckten Konflikten um?
Es ist wichtig, dass die Führungsperson das Arbeitsklima im Auge behält und ein Gespür für Konfliktsituationen bekommt. Spürt die Führungsperson, dass im Team ein verdeckter Konflikt brodelt, dann reicht es oftmals schon, wenn man den Beteiligten kommuniziert, dass man die Konfliktsituation wahrnimmt. Oft reicht dies, um die Klärung der Uneinigkeiten anzustoßen. Wenn das nicht hilft, ist es wichtig, dass die Führungsperson einschreitet. Das kann zum Beispiel in einer Diskussionsrunde passieren, in der das Problem angesprochen wird.
Wie kann eine Führungskraft stressige Situationen im Arbeitsalltag abfedern?
Hier ist es eine wichtige Aufgabe der Führungsperson, für solche Situationen vorzusorgen. Und das klappt am besten, indem man vorab Prioritäten klärt. Man erstellt mit seinen Mitarbeitern einen sogenannten Wertekanon für Situationen, in denen besonders viel zu tun ist. Hier definiert man, was die wichtigsten Punkte sind. In meiner Erfahrung wurden oft folgenden Punkte gewählt: Freundlichkeit, Hilfsbereitschaft und emotionale Selbstständigkeit, um sich vom Stress der anderen nicht mitreißen zu lassen – diese Prioritäten sind natürlich von Betrieb zu Betrieb und sogar von Situation zu Situation individuell.
Vor allem kleinere Betriebe in der Gastronomie und Hotellerie verfügen kaum über Zeit und Mittel, um in teamfördernde Maßnahmen zu investieren. Wie können Betriebe mit wenig Aufwand das Arbeitsklima optimieren und das Team stärken?
Gerade auch in kleinen Betrieben wäre es sinnvoll und hilfreich, in die Förderung des Teams zu investieren. Allerdings kann man unterstützende Maßnahmen auch in kleinen Gesten in den Arbeitsalltag integrieren. Das startet zum Beispiel beim gemeinsamen Mittagessen, führt über ein wertschätzendes Klima, in dem Kollegen sich gegenseitig Dankbarkeit äußern, bis zur Annahme von Hilfe. Besonderes Letzteres wird oft dankend abgelehnt. Dabei empfehle ich, solche Angebote immer anzunehmen. Die helfende Hand ist nicht nur Unterstützung, sondern fördert das Teamgefühl und löst nachweislich vor allem beim Hilfe-Anbietenden Glückgefühle aus. Somit profitiert das gesamte Team davon.