Herr Thun, in welche Richtung wird sich die Architektur entwickeln (müssen), um dem Nachhaltigkeitsgedanken gerecht zu werden?
Zurzeit hat die Architektur über 20% Sondermüll, und damit müssen wir Schluss machen! Wir können es uns nicht leisten, nicht nachhaltig zu bauen! Wir haben eine Verpflichtung gegenüber unserem Planet Erde und der müssen wir nachkommen. Nicht im Sinne von Nachhaltigkeitsdebatten und Bürokratie, sondern im Sinne von sich bewusst sein, dass es ein Problem gibt. Das meint unser Consciousness- Ansatz, den wir mit in die Gespräche mit unseren Auftraggebern nehmen. Auch die komplizierten Zertifizierungen braucht es meiner Meinung nach nicht – sie verlangsamen alle Prozesse. Wir halten es einfacher und denken an drei Nullen: null Kilometer, null CO2 und null Müll. Das bedeutet Materialien, die möglichst im Umkreis von 100 km und nicht von einem anderen Kontinent kommen, null CO2 ist die Annäherung an ein CO2- Management und null Müll bedeutet, dass man Umbau und Abbau so macht, dass kein Material übrigbleibt. Es gibt immer Möglichkeiten eine individuelle Lösung finden. Es ist einfach ein Gebot der Zeit.
Welcher Trend ist gerade aktuell? Minimalistisch, Retro…
Das neueste Material ist das älteste Material der Menschheit – der Beton in diesem Jahrhundert nennt sich Holz. Holz ist das Material, das serielle Vorfertigung, Beschleunigung und eine Vereinfachung des Bauprozesses zulässt. Hierdurch werden Baukosten und Betriebskosten gesenkt. Vor diesem Hintergrund gibt es eigentlich keine Alternative zu Holz. Beton gehört zur Vergangenheit.
Matteo Thun war Schüler von Oskar Kokoschka und Emilio Vedova an der Salzburger Akademie und war für mehrere Jahre Professor für Design an der Universität für angewandte Kunst in Wien. 1984 gründete er das gleichnamige Designstudio.