„Ich trage die Kochjacke nicht nur für Fotos“


Das Gasthaus von Toni Mörwald feiert heuer sein 50-Jahres-Fest. Grund genug für ein Jubiläumsinterview mit dem Haubenkoch und Multi-Unternehmer.


Seit Jahrzehnten einer der großen Player in der heimischen Gastroszene: Toni Mörwald.
Seit Jahrzehnten einer der großen Player in der heimischen Gastroszene: Toni Mörwald.

GASTRO: Herr Mörwald, Ihr Unternehmen gibt es inzwischen seit 50 Jahren. Erst einmal Gratulation dazu, aber wie hat eigentlich alles angefangen?
Toni Mörwald: Eigentlich per Zufall. Meine Eltern waren ursprünglich Landwirte und Weinbauern, meine Tante hat aber hier in Feuersbrunn ein Wirtshaus betrieben, ist dann der Liebe wegen ins Waldviertel gezogen und hat meinen Eltern quasi den Wirtshausschlüssel auf den Tisch gelegt. Dann waren meine Eltern plötzlich auch Wirte. Jetzt muss man aber dazu sagen, dass man damals ins Wirtshaus nicht zum Essen, sondern zum Trinken gegangen ist, um sich zu treffen und zum Informationsaustausch. Meine Mutter hat dann aber angefangen auch Speisen vom Grill und Produkte aus der eigenen Landwirtschaft anzubieten und das ist damals riesig eingeschlagen und immer größer geworden. 1971 hat trotzdem kaum jemand geglaubt, dass hier noch jemand anderer herkommt als direkt aus Feuersbrunn und jetzt geben sich inzwischen Asiaten, Amerikaner, Engländer oder Franzosen die Klinke in die Hand – das macht schon Spaß, auch wenn das eben am Anfang nie geplant war. Das ist wohl auch den vielen Standbeinen geschuldet, die wir haben. Also was uns in der Vergangenheit oft angekreidet wurde in der Öffentlichkeit, warum wir so breit aufgestellt sind, gerade das hat uns jetzt in der Coronazeit geholfen. Dadurch sehe ich auch sehr optimistisch in die Zukunft. Denn wenn man mehrere Standbeine hat und eines knickt weg, kann man immer noch stehen. Wenn man dann aber nur auf einem Bein steht, wird’s eng.

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Wann sind Sie ins Spiel gekommen und wie war Ihr Karriereweg bis dahin?
Ich bin selber Jahrgang 1967, habe die Hotelfachschule gemacht, maturiert und habe dann 1985, wie das Korso aufgesperrt hat, bei Reinhard Gerer angefangen und habe mich dort binnen zwei Jahren bis zum Souschef hochgearbeitet. Parallel habe ich meinen Eltern zu Hause immer geholfen. Dann war ich in Frankreich bei Ducasse und bei Alfons Schubeck in Bayern. 1989 bin ich zurückgekommen und wir haben begonnen, das Stammhaus in Feuersbrunn auszubauen und neben dem einfachen Wirtshaus in einem separaten Gastraum auch eine zweite Küchenlinie mit Fine Dining anzubieten. Das war damals eine Novität in Österreich.

Gar keine Station bei Werner Matt gemacht? War das damals für einen aufstrebenden Koch in Ostösterreich überhaupt möglich?
Indirekt schon. Matt war damals nämlich Küchendirektor im Imperial und nachdem das Imperial und das Bristol ja zusammengehört haben, war ich eigentlich schon auch einer seiner Schüler. Zumindest sieht er es so (lacht).

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Im Stammhaus in Feuersbrunn am Wagram bietet Toni Mörwald vom klassischen Wirtshaus bis zum 4-Hauben-Restaurant gleich mehrere Linien an.

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Wie hat sich das Unternehmen Mörwald dann weiterentwickelt?
Ich habe eben 1989, also mit 22 Jahren, den Betrieb hier übernommen, habe das Gasthaus Traube immer weiter ausgebaut, es kamen im Laufe der Jahre das Gourmetrestaurant Toni M. mit inzwischen vier Gault-Millau-Hauben dazu, die beiden Hotels Villa Katherina und Hotel am Wagram, seit kurzem die Eventlocation „Weinblick“ mitten in unseren Weingärten und seit 1991 habe ich das Schloss Grafenegg gepachtet mit einem Restaurant, einem Hotel und Veranstaltungsmöglichkeiten. In Wien haben wir inzwischen auch das „Kochamt“, eine Mischung aus Feinkostladen mit eigenen Produkten, Private Dining und Küche samt Verkostungsraum für Veranstaltungen. Nicht zu vergessen das Restaurant „Le Ciel“. Dann kochen wir noch im Palazzo, der diese Saison leider Corona zum Opfer fällt, betreiben noch ein Cateringunternehmen und eine Kochschule.

Schwingt der Chef immer persönlich den Kochlöffel?
Und ob. Zwar nicht immer, aber so zwei bis dreimal die Woche bin ich sehr wohl persönlich vor Ort und wir haben doch an die 200 Kochkurse im Jahr.

Größtes Renommierprojekt aktuell ist vermutlich seit 2015 das Le Ciel im Grand Hotel in Wien, das immerhin vier Hauben und auch einen Michelinstern hat. Erbringen Sie grad den Gegenbeweis für die These, dass Hotelrestaurants in Österreich kaum profitabel auf hohem Niveau zu führen sind?
Naja, das mit den Hotelrestaurants, das geht in Österreich immer so in Wellen. Aber das Le Ciel funktioniert zum Glück prinzipiell sehr gut, bloß ist es derzeit wegen Corona leider noch geschlossen, weil das Hotel zwar geöffnet ist, aber kaum ausgelastet. Und damit macht auch das Restaurant aktuell wenig Sinn.

Nicht alle Engagements waren langfristig von Erfolg gekrönt, das Kloster Und in Krems oder das Restaurant im Hotel Ambassador in Wien etwa.
Die haben beide eigentlich sehr gut funktioniert. In beiden hatte ich einen 10-Jahres-Vertrag, den ich erfüllt habe und der dann aus unterschiedlichen Gründen nicht verlängert wurde. Aber in beiden Fällen gibt es diese Restaurants in der Form nicht mehr, da wurden auch keine Nachfolger gefunden.

Zurück zur Person Toni Mörwald: Worauf legen Sie beim Kochen wert, wie würden Sie Ihren Stil beschreiben?
Essen besteht für mich immer aus zwei Teilen: aus den verwendeten Lebensmitteln und aus den Menschen, die darauf einwirken. Bei den Produkten sind Frische, Verfügbarkeit, Qualität und Regionalität wichtig. Dabei darf man aber auch nicht den Blick über den Gartenzaun vergessen. Denn der Gast möchte schon auch die eine oder andere nationale oder internationale Spezialität genießen. Ich versuche erstklassige Produkte möglichst unverfälscht auf den Teller zu bringen, aber in einer Geschmackskomposition, bei der der Gast „wow“ sagt. Außerdem soll es einem nach dem Essen besser gehen als vorher, also weder soll man danach ein Achterl Schnaps zum Verdauen brauchen, noch soll der Körper etwa nach massiven Chemieeinsatz in der Molekulargastronomie völlig durcheinander gebracht werden. Essen und Trinken ist für mich außerdem eine Kultur, die Menschen zusammenhält. Essen verbindet und essen ist sogar ein Politikum. Wie viele Leute hungern heute auf der Welt, ohne dass das nötig wäre.

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Toni Mörwald – im Bild mit Executive Chef Phillip Hagenauer – bespielt mittlerweile ein ganzes Gastro-Imperium.

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„Essenszeit ist Lebenszeit“ ist eines Ihrer Mottos. Leben in diesem Sinne die Österreicher mit genügend Freude oder leben wir gastronomisch noch immer in einer Hauptsache-viel-und-billig-Gesellschaft?
Die Esskultur hat sich hierzulande in den letzten Jahrzehnten sehr gut entwickelt. Österreich kann sich schon sehen lassen. Ich würde mir sogar wünschen, dass wir mehr stolz wären auf unsere Küche. Man denke daran, wie vor einiger Zeit der französische Präsident die besten Köche des Landes in den Elysée-Palast als Zeichen der Wertschätzung eingeladen hat. Das war ein wichtiges Signal!

Vegetarier und Veganer sind vor allem im städtischen Bereich und bei jungen Leuten stark im kommen. Kann der Koch Toni Mörwald mit diesem Trend etwas anfangen oder überlässt er dieses Segment lieber anderen Kollegen?
Vegetarier sind auch Menschen, die soll es auch geben…

Ich höre da nur einen bedingten Enthusiasmus heraus …
Naja, man sollte die Kirche einfach im Dorf lassen und nicht nur mit Gegensätzen arbeiten. Der menschliche Körper braucht z.B. das Vitamin B12, das kommt nur im tierischen Fett vor. Ich denke, man kann alles essen, Fleisch, Fisch, Fett, Gemüse, Getreide, Obst, etc. Wichtig sind Abwechslung, Ausgewogenheit und Dosierung. Dann ist alles bestens. Aber ich lehne jede Form von Radikalität ab, sonst wird Ernährung irgendwann zur Ideologie und zum Religionsersatz.

Sehen Sie sich eigentlich eher als Koch oder als Unternehmer?
Beides, ich bin Koch und Unternehmer.

Wie oft kann man Sie in einem Ihrer Restaurants tatsächlich noch am Herd antreffen?
Jeden Tag! Ich trage die Kochjacke nicht nur für Fotos (lacht). Heute bin ich noch bei einer Veranstaltung eingesetzt, am Abend koche ich im Toni M. Also ich stehe wahrscheinlich 40 – 50 Stunden in der Woche tatsächlich noch am Herd – zusätzlich zu meinen anderen Aufgaben. Da kommt dann halt schnell eine 80 – 100-Stunden-Woche zusammen.

Segnen Sie nach wie vor alle Speisekarten oder neuen Gerichte ab oder haben Ihre Köche diesbezüglich freie Hand?
Nein, natürlich lasse ich mir alle neuen Vorschläge schicken, daraus wird dann eine Speisekarte erstellt, bei der eben Ausgewogenheit, Verfügbarkeit und auch Kalkulation eine Rolle spielen.

Apropos Köche: Wie viele Mitarbeiter beschäftigen Sie und wie schwer ist es derzeit, Personal zu bekommen?
Mitarbeiter habe ich über 200 und große Probleme bei der Mitarbeiter-Suche habe ich zum Glück keine. Ich habe in meinem Leben noch kein Jobinserat aufgegeben. Lediglich im Catering fehlen mir manchmal ein paar Leute.

Letzte Frage und Ausblick: Gibt es konkrete spruchreife Projekte für die nähere Zukunft?
Naja, man muss zeitgerecht überlegen, wie alles weitergehen soll. Ich habe drei Töchter: 19, 20 und 22 Jahre alt, alle drei haben die Hotelfachschule gemacht, studieren und arbeiten parallel schon im Betrieb mit. Daraus kann etwas Neues entstehen, aber da muss man die nächste Generation eben auch mit einbinden, was die sich für die Zukunft vorstellen. Wollen die es so weitermachen wie ihre Eltern? Ich habe ja auch einen anderen Weg als meine Eltern eingeschlagen. Also man wird sehen. Aber bis dahin gibt es schon noch einiges zu tun. In Grafenegg wurden kürzlich 18 neue Cottages mit jeweils vier Doppelzimmern und einem Gemeinschaftsraum errichtet, hier im Hotel am Wagram kommen demnächst 24 Suiten dazu. Langweilig wird mir also auch in den nächsten Jahren eher nicht (lacht).

Aus der GASTRO 11/21
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