Es werden zwar immer weniger, aber es gibt sie noch – die klassischen Beisln mit Stammtisch, vielen Stammgästen und einem resoluten Wirt, der in der Küche all die kulinarischen Klassiker (Spezialfach Innereien) fertigt, für die man eben ein solches Wirtshaus aufsucht. Franz Buchecker ist etwa ein solcher Wirt. 2019 übernahm er das Lokal von Spitzenkoch Christian Petz, der damals aus gesundheitlichen Gründen zusperren musste und übersiedelte von seinem alten Standort, der nur rund 1 km entfernt lag, nicht nur sein Team, sondern auch die meisten seiner Stammgäste gleich mit.
„Buchecker und Sohn“ heißt dieser Tempel der alten Wiener Gastlichkeit – nur dass der Sohn und ehemalige Souschef jüngst abhanden gekommen ist – die Liebe hat ihn in die Steiermark, auf die Frauenalpe verschlagen. Ersatz ist aber zum Glück da, so wie generell zumindest die notwendigen Positionen alle besetzt sind. Und das meist langfristig. Vor allem die Stammgäste sind froh, wenn sie sich nicht ständig an neue Gesichter gewöhnen müssen. Kürzlich konnte man sogar das Mittagsgeschäft wieder aufnehmen, das sich großer Beliebtheit erfreut. Die Kehrseite der Medaille: Franz Buchecker ist oft schon um sieben Uhr in der Früh im Lokal und sperrt nach Mitternacht wieder zu – fünf Tage die Woche. Aber Gastronomie und Work-Lifetime-Balance haben sich eben noch nie vertragen.
Innere Werte
Das Speisenangebot ist jedenfalls old-school im positivsten Sinn: Schnitzel, Gulasch, Backhendl oder Alt-Wiener Backfleisch sind die Klassiker, ergänzt durch die Signature Dishes des Hauses, Innereien wie Beuscherl, Leber, Herz, Bries, Hirn oder Nierndln. „Am liebsten bestellen die Leute dann meine ‚Wiener Tapasplatte‘, bei der man sich gleich durch mehrere Innereien in kleinen Portionen durchkosten kann“, erklärt Buchecker. Und wer sind die Leute, die sich heute noch für geröstetes Hirn, gebackenes Bries & Co interessieren? Wer jetzt auf die Generation 50+ tippt, liegt daneben. „Es kommen auch sehr viele Junge zu mir, die diese Wirtshausatmosphäre genießen – und es werden immer mehr. Auch weil bei jüngeren Konsumenten die ganzheitliche Verarbeitung des Tieres – auf Neudeutsch heißt es halt ‚Nose-to-Tail‘ – gut ankommt, freut sich der Wirt, der sich bei seinem Angebot durchaus kompromisslos gibt. Veganer haben es bei ihm schwer und viele Wirte trauen sich heute auch nicht mehr über Stopfleber auf der Speisekarte. „Mir schmeckts, meinen Gästen auch und wenn ich dafür mal wieder eine 1-Sterne-Bewertung irgendwo im Internet bekomme, kann ich auch damit leben. Wem das nicht gefällt, der muss halt woanders hingehen.“
Logisch, dass ein Traditionswirt der alten Schule im Herbst auch Gansl anbietet – und das an diesem Standort um fast schon auffällig günstige 28,90 €/Portion – so wie auch der Rest der Karte eher sozialverträglich kalkuliert ist. „Der Wirt muss leben können, aber die Gäste halt auch“, lautet Bucheckers Motto. Aber natürlich ist das auch nur möglich, weil er sich um die Küche kümmert und seine Frau um den Service. „Hätte ich da noch zwei oder drei weitere Angestellte, ginge sich das auch nicht aus“, weiß er.
Ein Stammtisch wie früher
Den Gästen taugts jedenfalls. 94 Plätze fasst das Lokal im Normalfall und die Reservierungsfrist beträgt schon mal mehrere Wochen. Dazu gibt’s im Eingangsbereich einen Stammtisch, der weder für Geld noch für gute Worte zu reservieren ist, sondern bei dem sich die Stammgäste eben auch zwischendurch jederzeit mal auf ein Achterl oder ein Beuscherl treffen können. Auch der Gault-Millau hat jetzt diese Bastion der Wiener Kulinarik und Gastlichkeit gewürdigt und dem Lokal den Titel „Wiener Wirtshaus des Jahres“ verliehen. GASTRO gratuliert herzlich!