Spaß am Essen

Es darf gerne rauchen, triefen, brennen und herrlich satt machen: Türkische Küche ist ein Fest der Familie, der Freundschaft und aller Sinne.

Spaß am Essen - Aus der Branche - ethno foodWenn ich an türkische Küche denke, denke ich an Balik Ekmek. Direkt an der Galatabrücke werden in Istanbul auf in der Brandung schaukelnden Kuttern Makrelen gegrillt und mit Zwiebeln, etwas Salat, Tomaten und einer Prise Chili im Brot für zwei Euro verkauft. Herrlich. Man riecht es schon von Weitem. Steckerlfisch ist irgendwie nicht das Gleiche. Dafür muss man tatsächlich an den Bosporus.

Weltküche

Die Betreiber der Gaia Kitchen wagen den Versuch eines türkischen Szenelokals.
Die Betreiber der Gaia Kitchen wagen den Versuch eines türkischen Szenelokals.

Es gibt zwei verschiedene Definitionen für eine Weltküche. Die einen sagen, es müssen dafür drei Faktoren zusammenkommen: Eine reichhaltige, leistungsstarke Landwirtschaft (inklusive Viehzucht) mit vielen regionalen Unterschieden, kombiniert mit der elaborierten Küchentradition einer reichen Elite plus eine traditionelle Hausmannskost, die in kochenden Familien gepflegt wurde und wird. Dem würde ich zustimmen. Aber ergänzen mit dem Hinweis: Es muss ganz einfache, wunderbar schmeckende, unvergessliche Gerichte geben. Wie Balik Ekmek.

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Die ersten drei Faktoren sind in der Türkei (und also der türkischen Küche überall auf der Welt) ebenfalls gegeben: Ein fruchtbares Land umgeben vom Meer mit sehr unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen hat schon von Natur aus zu einer vielfältigen Kulinarik angeregt.

Dazu kommen mindestens 600 Jahre seldschukische und osmanische Herrschaft mit einer ausgeprägten Liebe der Herrschenden zur Kulinarik. Der Topkapi-Palast zeugt noch heute vom Aufwand, den die Osmanen in punkto Kulinarik trieben. Im 18. Jahrhundert waren hier über 1000 Menschen nur mit Kochen beschäftigt. Militärische Ränge bei den Janitscharen, der Elitetruppe am osmanischen Hof, hießen nach Küchenfunktionen.

Alle Wohlhabenden des Landes, die etwas auf sich hielten, machten es dem Hofe nach. Sie kochten an den Feiertagen ebenso prächtig, besonders während des Ramadans, und öffneten ihre Häuser und Küchen für Nachbarn und Durchreisende. Noch heute gehört Kochen und Essen zu den Kernfunktionen einer türkischen Familie oder eines Freundestreffs – auch in der Diaspora. Und es sind nicht immer die Frauen, die kochen.

Besonders am Grill oder vor dem Ofen tun sich auch die Männer hervor. Mein türkisch-kurdischer Freund lädt uns immer wieder zu kulinarischen Abenteuern ein. Seine Lamm-Melanzani-Spieße, die er am offenen Feuer zubereitet, gehören zum Besten, was ich je gegessen habe.

Die traditionelle türkische Küche, sei sie imperial-osmanisch-urban oder ländlich-traditionell-nomadisch geprägt, hat im 20. Jahrhundert einen Modernisierungsschub erhalten. Mit der Gründung der türkischen Republik kamen viele Auslandstürken zurück in ihre alte Heimat und brachten Koch- (und Trink-)Traditionen aus ihren „Gastländern“ mit: aus Griechenland (Ouzo > Raki, Zaziki > Cacik), der Levante (Meze) und vieles mehr aus noch weiter entfernten Ländern und Regionen (Cig Köfte). Die türkische Küche hat viele Regionen (Balkan, Nordafrika, Arabien) geprägt und wurde auch von dort geprägt, auch aus Asien.

Döner Kebab haben angeblich geschäftstüchtige Griechen in der Türkei erfunden (Abwandlung von Gyros). Das haben dann ausgewanderte Türken außerhalb der Türkei berühmt gemacht, besonders in Deutschland und Österreich. Heute ist Döner Kebab vermutlich das bekannteste Berliner Gericht. So berühmt, dass man mit „Berlin Döner“ in Wien hervorragende Geschäfte machen kann. Jedenfalls bessere als mit Eisbein und Buletten.

Regionalküche

Verschiedene türkische Regionen haben die türkische Küche geprägt: der Osten mit seiner nomadischen Tradition der Grillerei (Izgara) und auch das Zubereiten von rohem Fleisch gemischt mit Bulgur (Beef Tatar > Cig Köfte). Die zentralen Ebenen mit ihren kalten Wintern brachten all die wunderbaren lang kochenden Gerichte hervor, häufig aus dem Ofen, mit verschiedensten Kräutern und Gewürzen und ihren buttrigen Joghurtsaucen.

Die nördliche Küste am Schwarzen Meer ist berühmt für ihren Umgang mit Fisch, besonders mit dem hier heimischen Hamsi, einer Art Sardelle. Mindestens einmal im Jahr ruft mich mein türkisch-kurdischer Freund an und schreit ins Telefon: „Ich habe frische Hamsi, kommt vorbei, sofort!“ An der Agäis und an der südlichen Küste wird gegrillt und gesotten (Eintöpfe) und gerne scharf gewürzt, berühmt ist Adana Kebab, scharf gewürztes Faschiertes am Spieß. Berühmt sind türkische Köche (und Hausfrauen) auch für gefülltes Gemüse (dolma), vor allem Melanzani und Paprika. Imam bayildi, der „Der Priester, der in Ohnmacht fiel“ (vor Begeisterung), sind vegetarisch gefüllte Melanzani.

Nimmt man dazu Lammfaschiertes (vermischt mit Reis oder Bulgur) schmeckt es auch nicht schlechter. Gefüllte Weinblätter kennt man nicht nur in Griechenland oder an der Levante. Es gibt über hundert türkische Rezepte für Reis- oder Bulgur(Weizengries)gerichte. Das einfachste, im ganzen Land beliebte dügün pilavi (Hochzeitsreis) besteht einfach aus Reis mit Kichererbsen.

Puritanischer Ansatz

Wichtig in der türkischen Küche ist bei aller Pracht, die auf den Tisch kommt, das Spartanische: Man vermischt nicht allzu viel, verzichtet auf üppige Saucen, auch auf raffiniertes Würzen: Weniger ist mehr. Jede Zutat soll erstklassig sein und zu ihrem Recht durch die Zubereitung kommen: Ein paar Tomaten mit Petersilie und Zwiebeln vermischt und mit Olivenöl angemacht sind eine köstliche Vorspeise, oder Melanzani mit Tomaten grob püriert und mit Zitrone gewürzt.

Auf den Spieß kommt Fleisch und meistens nichts als Fleisch. Dazu etwas Salat, Reis oder Brot. Fisch bleibt Fisch, meist im Ganzen gegrillt. Preisgünstige Büffets bieten für wenig Geld lauwarme, aber köstliche Speisen: Kuttelsuppe (İşkembe Çorbası, ein türkisches Nationalgericht), alle möglichen Güvecs (Eintöpfe) oder Reisgerichte (Pilavs), manchmal bekommt man bei uns in türkischen Grillrestraurants oder Imbissen auch solche Speisen, vor allem zur Mittagszeit.

Brot wird frisch gebacken und frisch gegessen und es gibt nicht hundert verschiedene Sorten, sondern drei: Ekmek, das normale Weißbrot (in der DDR hätte man dazu „Sättigungsbeilage“ gesagt), Pide, der Fladen, in den man alles Mögliche wickeln kann, und Simit, mit Sesam bestreute Ringe, die man eher zum Frühstück isst. Und dann natürlich noch die strudelartigen, fetttriefenden (wenn sie richtig gut sind) Böreks, ein immer gern gesehener Imbiss für Zwischendurch. Berühmt sind natürlich auch die Süßspeisen, also Baklava, das die Türken vermutlich von den Persern und Arabern übernommen haben (oder sie von ihnen?): in Blätterteig gehüllte und mit flüssigem Zucker oder Honig übergossene Kombinationen aus Nüssen.

Die werden aber selten im Restaurant oder zu Hause zubereitet, sondern eher aus den darauf spezialisierten Konditoreien geholt. Ansonsten bietet jedes türkische Lokal mindestens einen selbst gemachten Milchreis.

Aber das Wichtigste in der türkischen Küche ist der Spaß: Das gemeinsame Essen, die Freude am Zusammenkommen, am Reden, am Genießen, am befreundet oder verwandt sein. Das merkt man spätestens, wenn man mit Türken (oder Kurden) essen geht. Natürlich in einem türkischen (oder kurdischen Restaurant). Dann wird es laut, lustig und lecker.

Gute türkische Restaurants in Wien

Restaurant Lale, Franz-Josefs-Kai 29, 1010 Wien: leicht gehobene türkische Küche, sensationeller Döner Kebab vom Lamm. Momentan wegen Umbauarbeiten geschlossen.

LEVANTE Walfisch, Walfischgasse 8, 1010 Wien. Solides türkisches Restaurant in der Innenstadt.

Galata Restaurant & Lounge, Raffineriestraße 65, 1220 Wien: Ein ehemaliges Ausflugslokal, beliebt bei türkischen Heichzeitspaaren und ihren Gästen, ganz viel türkische Lebensart.

Kent Restaurant, Brunnengasse 67, 1160 Wien: „Das“ türkische Familienrestaurant seit den 1990ern – mit Filialen.

Diwan Holzkohlengrill 1200, Wallensteinstraße 48, 1200 Wien: Vielleicht das beste Döner Kebab der Stadt; sehr authentisch; mehrere Filialen.

Umar Fisch, Naschmarkt Stand 76-79 1060 Wien: Das vielleicht beste (aber auch teuerste) türkische Fischrestaurant der Stadt.

Sezai Fisch(T)raum, Viktor-Adler-Markt 53, 1100 Wien: Wem das Umar zu „gespritzt“ ist.

Gaia Kitchen, Praterstraße 68, 1020 Wien: Newcomer von zwei kurdischen Kumpels, sie wollen vor allem vegetarische und vegane Gerichte anbieten. Der Versuch eines türkischen „Szenelokals“.

DAMAK Restaurant, Leibnizgasse 15, 1100 Wien

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