In der Wiener Schleifmühlgasse 16 weht frischer Gastro-Wind: Im Juni hat dort die „Vollpension“ ihre fixe Bleibe bezogen. Das belebte Grätzel auf der Wieden ist nicht gerade arm an gastronomischen Angeboten. Das Konzept füllt aber eine Lücke: Die „Vollpension“ ist ein Generationenkaffeehaus auf Selbstbedienungsbasis, in dem Pensionistinnen und Pensionisten Kuchen backen und kulinarische Schmankerl zubereiten, nach altbewährten Familienrezepten für eine buntgemischte Gästeschar.
Altersarmut vermeiden
Zwei Grundideen liegen dem Projekte zugrunde: Rund eine halbe Million Senioren sind in Österreich alleinstehend, ein Viertel davon lebt unterhalb der Armutsgrenze, ein weiteres Viertel nur knapp darüber. Was lag also näher, Pensionisten, die nur über ein geringes Einkommen verfügen und dieses aufbessern wollen, mit einer sinnstiftenden Tätigkeit zusammenzubringen?
Rund 25 Angestellte beschäftigt das Social Business „Vollpension“ mittlerweile, zwölf Damen – „Omas“ genannt – werken auf Basis einer geringfügigen Beschäftigung in der Backstube. David Haller, Teil des Geschäftsführer- Teams des „Vollpension- Vereins“, fasst das Anliegen des Gastro-Start-Ups zusammen: „Uns ist es wichtig, dass die Omas einerseits etwas dazuverdienen können. Andererseits wollen wir auch der sozialen Vereinsamung entgegen wirken.“
Haller ist Mitglied des fünfköpfigen Leitungsteams, dem auch Hannah Lux als Geschäftsführerin der „Vollpension Generationencafé GmbH“, Cornelia Kamleitner, zuständig für die Finanzen, Julia Krenmayr, die den „Vollpension-Verein“ leitet, und Paulo Grando, Gastronomie-Profi und Küchenchef, angehören.
Die Speisekarte wird bewußt klein gehalten und jede Woche neu auf Facebook veröffentlicht. Jeden Tag werden die Kuchen und Torten frisch von der diensthabenden „Oma“ gebacken, dazu gesellen dienstags bis freitags täglich ein schmackhaftes Mittagsgericht (beispielsweise Fleischstrudel mit Joghurtsauce oder gratinierte Schinkenfleckerl), allesamt zubereitet nach alten Familienrezepten, sowie drei Speisen, die monatlich wechseln.
Die Vitrine in der Backstube bietet darüberhinaus noch Snacks und frische Salate an. In der wärmeren Jahreszeit können Omas Mehlspeisen auch im gemütlichen Gastgarten genossen werden.
Die Leihoma als Gastgeberin
Aber nicht jede „Oma“ will oder muß backen: Sogenannte „Hosts“ nehmen von 15 bis 20 Uhr die Funktion eines Gastgebers ein, der die Besucher begrüßt und ihnen das Konzept des Kaffeehauses näher bringt.
„Wir wollen unsere Gäste auf der menschlichen Ebene abholen und mit ihnen, wenn gewünscht, in einen Dialog treten. Der Host soll eine Art Leihoma oder Leihopa sein, und der Schmäh darf auch ein bißl rennen“, schildert David Haller die Idee dahinter. Das Publikum ist bunt gemischt: „Studenten, Mütter mit Kindern oder auch Senioren kommen zu uns.“
Ursprünglich war die „Vollpension“ nur als einmalige Intervention im Rahmen der Vienna Design Week im Jahre 2012 geplant. Bei mehrmaligen Gastspielen in Wien erfreute sie sich aber großer Beliebtheit und ist nun auf dem besten Weg, zur dauerhaften Institution zu werden.
Die Masterminds hinter dem Projekt waren damals Mike Lanner und Moriz Piffl, die sich als „Gebrüder Stitch“ mit ihrer Maßjeans-Manufaktur etabliert haben und der „Vollpension“ noch beratend zur Seite stehen.
Bewerbung mit Rezept
Wer „Oma“ oder „Opa“ in der „Vollpension“ werden will, muss sich mit einer Sammlung von erprobten Rezepten aus dem Familienkochbuch bewerben. Frau Susanne hat eine ganze Mappe an Backanleitungen bei sich, aus der sie ihren Favoriten für den jeweiligen Tag aussucht.
„Im Herbst backe ich am liebsten Buchteln mit Vanillesauce“, erzählt die „Oma“, die auch gerne Kuchen jeder Art bäckt. In der Küche werden die „Omas“ von zwei Gehilfen unterstützt, die im Rahmen des – vom AMS geförderten –Wiedereinsteiger-Projekt „job-aktiv“ der Caritas beschäftigt sind.
Derzeit werden zwar keine neuen „Omas“ oder „Opas“ gesucht, wer die „Vollpension“ dennoch näher kennenlernen möchte, kann sich gerne an das Team wenden. „Wir sind immer offen für neue Interessenten“, so Haller.
Spezielle Formate soll interessiertes Publikum anlocken: Im „Seniorenklub“ erzählt jeweils eine Oma oder ein Opa spannende Anekdoten aus ihrem oder sienem Leben, der Moderator bezieht die Gäste mit ein, und ein musikalischer Act sorgt für flotte Stimmung. Beim „Soundbraten“ werden Omas Lieblingsgerichte gekocht, während ein DJ die Plattenteller dreht.
Wie alle Gründer in der Gastronomie-Szene hat auch das Team der „Vollpension“ eine bewegte Start-Phase hinter sich: „Bevor es losging, mussten wir den Umbau der Küche bewerkstelligen, und die Backstube wurde installiert. Es galt, die Speisekarte zusammenzustellen und den Ablauf zwischen den Teams, Küche und Service, zu optimieren. Vor der Eröffnung lief die Vollpension auch testweise im Probebetrieb“, schildert David Haller die anfänglichen Bemühungen.
Backöfen im Neon-Design springen ins Auge
Großer Aufwand wurde bei der Innenausstattung betrieben: Designer Sebastian Rahs, Künstlerin Riki Werdenigg und „Gebrüder Stitch“-Hälfte Moriz Piffl zeichnen für das Interieur verantwortlich.
Drei unterschiedliche Zonen charakterisieren das Café: der große Wohnzimmerbereich mit einer Vielzahl an Kitschgegenständen, das Eßzimmer mit einer langen Tafel für zwölf Personen und Omas Küche, aus der die vier neonbeleuchteten Backöfen als Herzstück des Ambientes stilvoll ins Auge springen
„Wir gehen mit Humor an die Sache heran, spielen mit Klischees und versuchen, diese aufzubrechen“, erzählt David Haller. „Denn nicht jede Oma hat Kitschbilder an den Wänden. Andererseits zeigen wir wie aktiv sich die ältere Generation noch ins Beruflebens einbringen kann.“
„Vollpension“ – das Generationenkaffeehaus
Schleifmühlgasse 16, 1040 Wien, www.vollpense. at.
Öffnungszeiten dienstags und mittwochs von 9 bis 24 Uhr, donnerstags bis samstags von 9 bis 2 Uhr, sonntags von 10 bis 20 Uhr (montags geschlossen).