Wien ist die einzige Küche, nach der eine Stadt benannt ist, und die Wiener Küche ist vor allem ein Zusammenspiel der österreichischen und ungarischen Küche. Im reichen Wien war der Fleischbedarf sehr groß, hervorragende und bekannte Gemüsegerichte hat die Hauptstadt aber nicht hervorgebracht. Noch heute spielt Fleisch in der Wiener Küche eine große Rolle, allen voran das Schwein, auch wenn viele glauben, dass das Rind die Nase vorne hat. Wild und Lamm sind eher selten in den Küchen zu finden. Schöpsernes aus Schaffleisch ist nur bei unseren Südtiroler Nachbarn oder in westlichen Bundesländern bekannt.
Langsam gekocht
Das bekannteste Rindfleischgericht, der gekochte Tafelspitz, ist mehr als nur gekochtes Rindfleisch. Vor dem Zweiten Weltkrieg war Meissl & Schadn das berühmteste Rindfleischrestaurant in Wien, und es gab nicht weniger als 24 verschiedene Sorten gekochtes Rindfleisch, das bei der Bestellung genau angegeben werden musste. Die vielen Bezeichnungen der Teilstücke wie Kruspelspitz oder Rieddeckel zeugen von der Vielfalt und sind der heutigen Generation meist unbekannt. So wie bestimmten Teilstücken erging es aber auch vielen Gerichte. Sie wurden einfach unmodern und beinahe vergessen. Doch nun sieht man sie wieder auf den Speisekarten verschiedener Gasthäuser, nicht nur im Wiener Beisl, wie gefüllte Rindsroulade, Paprikahenderl oder Reisfleisch.
Vielfalt der Zubereitungen
So wie es verschiedenste Teilstücke von gekochtem Rindfleisch gab, so war die Wiener Küche reich an Variationen, wie etliche Arten von Gulasch oder Rostbraten zeigen. Fiaker Gulasch, Saft- und Esterhazygulasch über Vanille-, Sardellen- oder Giradirostbraten, heute stehen nur wenige davon auf den Wiener Speisekarten. Der Wiener Rostbraten ist eine dünne Scheibe eines guten Teilstückes vom Rind, das angebraten und danach in einer Zwiebelsauce weichgedünstet wird. Danach ist es butterzart und schmeckt würzig nach Zwiebel. Das Tüpfelchen auf dem I sind die knusprigen Zwiebelringe zu dem Stück Fleisch. Die Wiener Küche kennt kaum kurgebratene Fleischgerichte, der moderne Zwiebelrostbraten, ein Stück Beiried rosa gebraten mit Sauce und Zwiebelringen, hat mit dem traditionellen Gericht daher nur wenig zu tun.
Aromatisch gefüllt und eingerollt
Nicht alle traditionellen Rezepte aus der k. u. k. – Zeit haben überlebt, wie z. B. die klassische Wiener Rindsroulade, ein Standardgericht der Gasthäuser und heimischen Küchen. Sie verschwand einfach, still und leise. Doch nun findet man sie wieder. Zartes, dünn plattiertes Rindfleisch mit Senf bestrichen und mit Speck, Essiggurkerl und Karottenstiften gefüllt und eingerollt, die Roulade wird angebraten und im Saft weich gedünstet. Nicht weniger schmackhaft sind die traditionellen Krautrouladen. Das Schmorgericht, bei dem eine würzige Fülle aus Faschiertem in blanchierte Krautblätter gewickelt wird, ist ein typisches Oma- Gericht: Einfach und herzhaft zugleich, typisch österreichisch und das zu recht wieder öfter gekocht wird.
Nicht nur Rind
Der Schweinsbraten war und ist ein Klassiker, ebenso das Wiener Schnitzel. Es sind die Aushängeschilder der Wiener und Österreichischen Küche. Das Wiener Reisfleisch, ursprünglich aus Kalbfleisch zubereitet, ist meist nur mit Schweinefleisch bekannt. Kurz angebratene Fleischstücke, die zusammen mit Reis und gut gewürzt mit Paprika, weichgedünstet werden. Das Wiener Krenfleisch, gekochtes Schweinefleisch, meistens vom Bauch, mit reichlich Kren serviert, ist ebenfalls ein Klassiker. Der Faschierte Braten, aus gemischtem Faschiertem von Rind und Schwein, wird inzwischen genauso selten gekocht. Mit Essiggurkerl, gekochtem Ei und Frankfurter Würstel gefüllt, wird er als Stephaniebraten bezeichnet und der ist inzwischen eine Rarität. Wer Kalbsvögerl, ausgelöste Fleischstücke von der Kalbsstelze, wunderbar saftig in einer Paprikasauce geschmort, auf der Karte findet, sollte sie unbedingt probieren.
Alles sind typische Hausfrauengerichte, die regelmäßig nicht nur in Wien gekocht wurden, bevor Pizza, Pasta und Burger die Esskultur veränderten. Auch der Trend zu weniger Fleisch brachte es mit sich, dass diese Klassiker immer mehr von den Karten verschwanden. Erst durch Nose-to-tail und das Besinnen auf alte Kochtraditionen, bekommen diese Gerichte wieder eine Chance. Wer diese Speisen kocht und auch im Gasthaus nachfragt und bestellt, kann so genussvoll die Altwiener Esskultur erhalten.